Die Kristallsaengerin
immer wieder erwähnt hatte, wieviel Mühe sich Sänger gaben, ihre Claims zu schützen, indem sie auf dem Hin-sowie dem Rückflug umständliche Umwege machten, war es doch durchaus denkbar, daß Keborgen einen direkten Kurs gewählt hatte in der Hoffnung, sich so zu retten. Sein Schlitten war mit beträchtlicher Verspätung hinter den anderen aus dem gleichen Gebiet angekommen.
In Anbetracht dieser Möglichkeit konnte sie von der Datenbank die genaue Sekunde erfahren, in der die Sturmwarnung durchgegeben worden war, die Maximalgeschwindigkeit seines Schlittens und die Flugrichtung zur Zeit des Absturzes berechnen und daraus schließen, in welchem ungefähren Gebiet er seine schwarzen Kristalle geschnitten hatte. Vielleicht war sogar eine Wahrscheinlichkeitsberechnung über die Zeitdauer möglich, die Keborgen noch bei seinem Claim gezögert hatte, wenn sie die Spanne berücksichtigte, die die anderen neununddreißig Sänger für ihre Rückkehr gebraucht hatten.
Sie ließ den Gleiter über die Absturzstelle schweben. Die scharfen Abdrücke begannen zu verwischen, da eine frische Brise über den Boden wehte. Killashandra wendete den Gleiter seitwärts und entdeckte die nächste und dann zwei weitere Schleuderspuren, bevor sie die rauhen Schrammen auf dem nackten Gestein eines höheren Hangs ausmachte. Sie landete, um die Spuren näher zu untersuchen. Auf der Nordseite war die Schramme tiefer, als ob der Schlitten beim Kontakt mit dem Felsen abgelenkt worden wäre. Sie blieb in der Spur stehen und machte sich Notizen auf ihrem Digitalarmband. Dann kehrte sie zu ihrem Gleiter zurück, teilte den Sektor auf und machte sich daran, die einzelnen Abschnitte nach weiteren Spuren von Keborgens wildem, mißlungenem Flug abzusuchen.
Die einbrechende Dunkelheit ließ es ihr schließlich ratsam erscheinen, ihre Suche abzubrechen. Killashandra überprüfte ihre Position und kehrte zum Komplex zurück.
VII
Killashandra lehnte sich von dem Terminal in ihrem Zimmer zurück. Ein Blick auf die Digitaluhr sagte ihr, daß es früher Morgen war. Sie war erschöpft, ihre Augen waren rot vor Müdigkeit, und sie hatte einen bohrenden Hunger. Aber sie hatte der Datenbank der Gilde sämtliche Informationen entlockt, die ihr bei der Einengung ihrer Suche nach Keborgens Schwarzkristallclaims nützlich sein konnten. Sie ließ das Programm unter der nur ihr zugänglichen Personalaufzeichnung speichern, dann stand sie auf und ging steifbeinig, den schmerzenden Rücken gekrümmt, zur Verpflegungsanlage hinüber und bestellte sich eine heiße Suppe. Obwohl sie die Daten gespeichert hatte, konnte sie nicht aufhören, an ihren Plan zu denken. Und an die Hindernisse, die seiner Ausführung im Wege standen.
Keborgen war tot. Seine Claims, wo immer sie liegen mochten, waren nun, gemäß der Fülle von Paragraphen über »Claims, ihre Ansprucherhebung und Absteckung, Strafen für widerrechtliche Aneignung, Geldstrafen und Einschränkungen« und den ganzen Subparagraphen, wieder offen.
Aber‘erst einmal mußte der Claim gefunden werden. Das war das Hauptproblem, wie Enthor gesagt hatte. Killashandra hatte vielleicht Theorien über seine Lage, aber sie besaß weder einen Schlitten, um dort hinzukommen und sich umzusehen, noch einen Schneider, um Kristalle aus der »freien« Fläche ab-zubauen. Ihre Nachforschungen hatten ergeben, daß Keborgen den Claim schon seit mindestens vier Jahrzehnten abbaute, und eine Analyse bewies, daß zwölf Schwarzkristall-Schnitte von der gleichen Fläche stammten, der letzte neun Jahre nach dem vorletzten. Das andere Problem, das Enthor erwähnt hatte, war, sich an die Lage zu erinnern.
Als Unterbrechung von der zähen Paukerei hatte Killashandra Concera gefragt, wie Sänger nach einer Abwesenheit wieder zurück zu ihren Claims fanden, vor allem wenn ihr Gedächtnis doch so unzuverlässig war.
»Oh«, hatte Concera leichthin geantwortet, »ich denke immer daran, meinem Schlitten zu sagen, nach welchen Orientierungs-punkten im Gelände ich mich richten muß. Schlitten haben Stim-musterrekorder, also sind sie todsicher.« Sie zögerte und hatte wieder jenen ziellosen Blick, der typisch bei ihr war. »Natürlich können Stürme solche Orientierungspunkte manchmal verändern, es ist also ratsam, Höhenlinien und Täler oder Schluchten aufzuzeichnen, also solche Dinge, die sich selbst bei einem bösen Sturm nicht verändern. Außerdem«, fuhr sie strahlender fort, »resoniert eine Fläche, wenn Sie ein paarmal an
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