Die Kristallwelt der Robina Crux
nach einer Pause wiederholt, ein, zwei Minuten lang.
Robina konnte keinen klaren Gedanken fassen, sie nahm auch kaum wahr, daß sich die Maschine abermals in Bewegung setzte, behutsam, dabei sprechend, einen leichten Bogen um sie schlug und auf die Tür zu glitt. Aber selbst als Robina es merkte, reagierte sie nicht. Das Ungeheure, das sich soeben zugetragen hatte, lähmte sie. Sie fühlte sich außerstande, dem Birne erneut das Feld entgegenzusetzen. Sollte er den Sender nur abermals reparieren!
Obwohl nichts entschieden war, hatte Robina die Zuversicht, die gleiche oder eine ähnliche Situation jederzeit wieder heraufbeschwören zu können.
Langsam, erschöpft, erhob sie sich, schaltete ihre Apparatur ab. Sie wartete.
Es erschien ihr lang, bis der Birne wieder auftauchte. Sie freute sich, als er endlich kam. Und es zeigte sich ein Erfolg, der Robina mit unsagbarem Stolz erfüllte: Der Roboter schwebte mit dem Kopf voran in den Raum, hielt, indem er sich um seine Achse drehte, den Kopf auf Robina gerichtet und kroch, ja, kroch, diesen Eindruck hatte sie, rückwärts in seine Schlafecke.
Und er schlief nicht. Er koppelte nicht die Versorgungsleitungen an, stellte auch das Fluoreszieren nicht ein, obwohl es Robina im Vergleich zu vorhin beträchtlich gedämpft erschien. „So ist's brav“, konnte sie sich nicht enthalten, laut festzustellen.
Allerdings war sich Robina unschlüssig. Da er nicht schlief, getraute sie sich nicht, das Pseudosignal anzulegen.
Dann kam Robina der Gedanke, sich scheinbar zu entfernen. Sie fuhr
in die Kuppel, spazierte ein wenig herum und begab sich nach zehn
Minuten abermals nach unten.
Der Birne schlief.
„Ein bißchen bekloppt bist du doch“, sagte Robina, und sie klopfte ihm wohlwollend auf den Panzer. Dann legte sie ihm das Pseudosignal an und ging.
Sie trennte das Kabel der Sendeanlage abermals, betrat dann durch Tür zwei die Oberfläche des Boliden, und es war ihr, als schritte sie nach einer wohligen Nacht schlaferquickt, ausgeruht und glücklicher Stimmung in einen taufrischen, sonnigen Frühlingstag. Die farbigen Kristalle waren die Krokusse und Schlüsselblumen, Tulpen und Maiglöckchen und die Reflexe der Lumineszenz das Glitzern von Millionen Tautropfen.
Obwohl Robina total erschöpft war, fühlte sie, daß sie noch lange nicht würde schlafen können. Sie gab dem Eselchen einen freundlichen Klaps, ließ es dann stehen und ging zu Fuß. Unterwegs sang sie alle Lieder, die ihr in den Sinn kamen, getragen von einem Hochgefühl, das jeden tieferen Gedanken ausschloß. Phantastische Spekulationen spukten ihr durch den Kopf, was sie nun mit dem Birne alles anstellen wolle…
Dann trieb sie die Sehnsucht nach ihren Blumen schneller zur Grotte.
14.
Und abermals begann für Robina eine Periode des Grübelns, des Überlegens und der Unschlüssigkeit.
Allenfalls, so folgerte sie, nimmt die Maschine durch starke Emotionen ausgelöste Empfindungen wahr, Angst zum Beispiel, Erregung – vielleicht noch Zorn. Ein Versuch, ihr einen bestimmten Willen aufzuzwingen, dürfte bereits sehr viel schwieriger sein und nur mit höchster Gedankenintensität und Geduld gelingen.
Zögernd begann sich Robina nach einigen Tagen Befehle aufzuzeichnen, die, klar unterscheidbar voneinander, von jedem nach logischen Prinzipien aufgebauten Rechner begriffen werden mußten, sobald Gesetze der Logik objektiv wirkten, also auch für die Anderen zutrafen. Bislang hatte niemand den objektiven Charakter solcher Gesetze bestritten, bislang hatte sich aber auch noch niemand in dieser Situation befunden.
Auch die Befehle mußten Begriffliches enthalten. Abwehr oder Zustimmung, Zögern, Freundlichkeit und Entgegenkommen.
Robina kramte in ihrem Gedächtnis nach Kurvenbildern. Nie hätte sie es für möglich gehalten, Charakteristika der Bioströme aus Stimmungen und Zuständen, aus Willensäußerungen und Emotionen je zu benötigen.
Sie konnte natürlich nicht davon ausgehen, daß eine Verständigung etwa über Sprache möglich sein würde. Das wäre die Krönung eines jahrelangen Lernprozesses, wenn dazu überhaupt eine Basis vorhanden war. Die Laute, die sie gehört hatte, konnten wer weiß was gewesen sein. Vielleicht ist der Wechsel in der Fluoreszenz seiner Augen bereits seine Sprache…
Robina erinnerte sich der Witze, die sie einst mit den Kurven gemacht hatten. Sie sah es ganz deutlich, wie sich der lange Max zu ihr umdrehte im Lehrraum, dann Boris zuzwinkerte und ihm anzüglich zuraunte:
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