Die Krone der Macht
hatte er sie an den Schultern gepackt und sie gezwungen, ihm zuzuhören. Sie hatte ihm die ganze Zeit stumm zugehört, nur der Ausdruck ihres Gesichtes hatte sich völlig verändert. Als er geendet hatte, sah er, dass die Farbe ihrer meergrünen Augen sich fast zu Schwarz verdunkelt hatte. Nun stand nicht mehr Schrecken in ihnen, sondern kalter Zorn und Verachtung. Als sie aufstand, glich ihr Gesicht einer Maske.
„Gut, ich habe verstanden!“ sagte sie mit unnatürlich Ruhe. „Schon einmal hast du mir einreden wollen, du seiest nicht gut genug für mich. Es wird wohl anders sein! Deine Liebe zu mir ist nicht so groß, dass du bereit wärest, den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich unserer Verbindung in den Weg stellen könnten. Es tut mir Leid, dass deine Angst davor, dass deine zarte Seele verletzt werden könnte, größer ist als das Verlangen nach der Stellung und der Macht, die eine Verbindung mit mir dir bringen würde. Deine Angst scheint jedenfalls größer zu sein als deine Liebe.“ Plötzlich richtete sie sich noch höher auf, und ihre Augen blitzten. „Bedenke, dass ich die rechtmäßige Herrscherin und gekrönte Königin von Ellowin bin! Und ich möchte den sehen, der es wagen wollte, meiner Gattenwahl entgegenzutreten, selbst wenn ich den letzten Bettler vom Wegrand zu meinem Gemahl erheben wollte. Doch genug! Da all dies dir bestens bekannt ist und du dennoch nicht gewillt bist, meinem Wunsch zu folgen, wollen wir es vergessen, obwohl ich die Macht hätte, dich dazu zu zwingen! Aber ich weiß nun, was deine Liebe zu mir wert ist. Es hat dich gereizt, die schöne, stolze Prinzessin zu deinen Füßen zu sehen, zu Füßen eines Bastards, den alle Welt verachtet. Denn dass eine Frau wie ich dir ihre Liebe geschenkt hat, war Balsam für deine geschundene Seele. Doch nun, wo du die Konsequenzen daraus tragen sollst, weichst du feige zurück, tapferer, weiser Nador!“ höhnte sie. „Du hast genug mit mir gespielt und deine Rache an der Welt an mir vollzogen. Du hast deinen Triumph gehabt, doch das ist nun vorbei. Von nun an sind wir nur noch Kampfgefährten, wie es der Stein bestimmt hat“, - ein böses Lächeln glitt dabei über ihre Züge - „wenn du nicht auch hier einen Rückzieher machst!“
Sarja sah, dass Nador mit Entsetzen im Gesicht völlig vernichtet auf dem Bett saß. Heiße Tränen wollten in ihr aufsteigen, aber sie kämpfte sie nieder. Zu tief hatte er sie verletzt. Sie fühlte, dass sie ihm vielleicht Unrecht tat, doch ihr gekränkter Stolz, dass er es gewagt hatte, ihre Hand abzulehnen, war übermächtig. Wie unter Zwang hatte sie ihn demütigen müssen, aber jedes ihrer Worte war auch ihr wie ein Dolch in die Seele gefahren. Als sie ihn nun mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf dasitzen sah, hätte sie am liebsten geschrien: Nein, es ist nicht war, ich liebe dich immer noch! Aber ihrer Kehle war wie zugeschnürt. So stand sie wie gelähmt am Kamin und starrte blind in die tanzenden Flammen.
Nador erhob sich. Sein Gesicht war bleich und seine sonst so lebhaften Augen waren ausdruckslos und matt. Wortlos ging er zur Tür und verließ wie ein Schlafwandler den Raum. Als sich die Tür hinter ihm Schloss, löste sich Sarjas Erstarrung. Sie lief zum Bett, warf sich darauf und weinte, bis sie vor Erschöpfung einschlief.
Nador hatte den Gastraum durchquert, ohne den Wirt auch nur wahrzune hmen, der ihn fragte, ob etwas wünsche. Er verließ das Wirtshaus und schritt durch das stille Dorf hinaus in die Felder. Er wurde sich der Gefahr, in die er sich damit begab, überhaupt nicht bewusst. Ohne Waffen und allein war er in der Dunkelheit einem Angriff des Feindes hilflos ausgeliefert. Doch daran verschwendete Nador keinen Gedanken. Ziellos irrte er durch die leeren Felder und versuchte, der sich in seinem Kopf jagenden Gedanken Herr zu werden. Schließlich setzte er sich weit draußen vor dem Dorf auf einen am Feldrand aufgeschichteten Steinhaufen.
Warum hatte Sarja das getan? Warum hatte sie, gerade sie, ihn verhöhnt und verspottet? Er hatte sie doch nur davor bewahren wollen, mit einem Mann wie ihm an der Seite ihr ganzes Leben verbringen zu müssen und vielleicht auf diese Weise die Verachtung ihres ganzen Volkes auf sich zu ziehen. Er hatte sie doch nur vor einem Fehler schützen wollen und war nur auf ihr Wohl bedacht gew esen. Doch plötzlich wurde ihm klar, dass er sich selbst belog. Sarja hatte Recht! Nicht sie hatte er in Wirklichkeit schützen wollen,
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