Die Krone der Macht
ihr dafür gereicht. Doch Nador blickte nicht auf und stocherte nur lustlos auf seinem Teller herum. Mit mühsamer Beherrschung ließ sich Sarja am Tisch nieder. Hatte er ihr wirklich nichts zu sagen? Vielleicht war er sogar froh, dass es so gekommen war, weil er im Geheimen schon bereut hatte, ihr nachgegeben zu haben. Fahrig und nervös hatte sie nicht einmal mitbekommen, dass Farsten sie fragte, ob sie eine gute Nacht gehabt habe und genau so herrlich geschlafen habe wie er. Ástino, dessen Blicke ständig zwischen Sarja und Nador hin und her gegangen waren, überspielte die Situation mit ein paar Scherzworten. Der sensible Mann spürte genau die Disharmonie zwischen den beiden. Er hatte sich längst schon seine Meinung über das Verhältnis der beiden zueinander gebildet, auch wenn Nador dies nicht hatte wahrhaben wollen. „Das kann ja heiter werden!“ dachte er bei sich. „Eine so gefährliche Unternehmung – und dann ein zerstrittenes Liebespaar! Was ist da wohl vorgegangen, und was kann ich tun, um alles wieder ins Lot zu bringen? Denn dieser Zustand ist auf die Dauer unhaltbar und kann uns in Teufels Küche bringen, wenn die beiden sich nicht einig sind. – Kommt Zeit, kommt Rat!“ beruhigte er sich dann selbst . „Irgendetwas wird mir schon noch einfallen.“
*****
Der Tag neigte sich bereits seinem Ende zu als die Gruppe sich einem Einschnitt im Gelände näherte, durch den der Weg in ein flaches Tal führte. Das letzte Dorf hatten sie bereits vor einigen Stunden hinter sich gelassen, und bei dem nicht gerade schnellem Tempo, dass sie vorlegten, würden sie nicht vor dem nächsten Abend wieder in bewohnte Gegenden gelangen. Die Landschaft war hier rau und karg, so dass niemand dort siedelte. Zwar rauschte im Tal ein breiter Bach, der sich später mit dem Tarin vereinigte, doch die dürftige Heide-Vegetation hätte höchstens ein paar Schafen Nahrung bieten können.
Sarja und Nador hatten den ganzen Tag über nur das Nötigste miteinander g esprochen, und das auch nur, damit die anderen nichts von ihren Zwistigkeiten merkten. Ástino bemerkte dieses Verhalten mit wachsender Besorgnis. Hin und wieder versuchte er, die beiden mit kleinen Scherzen aufzuheitern oder sie in ein gemeinsames Gespräch zu ziehen. Doch seine Versuche waren mit wenig Erfolg gekrönt. Die beiden waren nicht einmal zum Lächeln zu bringen und verstummten sofort, wenn sie seinen Unterhaltungsplan durchschauten. Als Nador sich daher einmal zur Farsten gesellte, der an der Spitze ritt, machte sich Ástino an Sarja heran. Unverblümt kam er auf den Kern der Sache:
„Sag, Sarja, was ist mit euch beiden los? Dass ihr beide euch liebt, ist mir sehr schnell klar geworden, auch wenn Nador stets versuchte, den Unbeteiligten zu spielen. Aber nun steht irgendetwas zwischen euch und das kann keine Kleinigkeit sein. Im Grunde geht es mich zwar nichts an, aber eure Uneinigkeit kann unsere Sache erschweren, wenn nicht gar zum Scheitern bringen. Und das ist es nicht allein. Ich kann nicht mit ansehen, wie meine besten Freunde und Gefährten sich so quälen, wo jeder, der Augen im Kopf hat, sehen kann, dass ihr beide für einander bestimmt seid.“
Sarja hatte bei Ástino Worten kaum ihre Tränen zurückhalten können und sagte nun mit gepresster Stimme: „Erzähl das bitte Nador! Er ist da ganz anderer Meinung.“
„Wieso? Das kann ich nicht verstehen!“ wunderte sich Ástino. „Ich fühle doch genau, wie sehr er dich liebt, und das ist auch kein Wunder bei einer Frau wie dir. Und dass du ihn ebenso liebst, kann man fast mit den Fingern greifen.“
„Ach, Ástino“, seufzte Sarja, „dass ich ihn liebe, ist wahr. Aber ich bin mir nicht mehr sicher, dass er das Gleiche für mich empfindet. Aber wir können jetzt nicht weiter davon reden, denn er wird gleich wieder bei uns sein. Vielleicht ergibt sich heute Abend die Gelegenheit, dass ich mit dir darüber sprechen kann. Denn ich muss mein Herz bei dir erleichtern, sonst ersticke ich daran.“
„Nador sieht aber auch so aus, als bekäme er gleich einen Erstickungsanfall!“ brummte Ástino. „Auch ihm könnte eine solche Erleichterung nicht schaden.“
„Das wird er wohl nie tun“, meinte Sarja. „Doch still jetzt davon. Er kommt zurück.“
Als der Geländeeinschnitt in Sicht kam, hatte Nador sein Pferd gewendet und war zu den beiden zurückgekehrt.
„Die Gegend gefällt mir nicht und dieser Hohlweg noch weniger“, sagte er. „Er ist
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