Die Krone von Camelot
»Morgens ist es schlimmer«, sagte er mir. »Aber ich genese. und das ist genug.«
»Wie du willst.« Ich schaute ihn noch einmal genau an, aber er hatte sich ins Kissen zurückgelegt und blickte an mir vorüber zu dem niedrigen Dach des Zeltes auf. »Gawain, du glaubst doch nicht wirklich, daß ich lüge, wenn ich dir sage, daß ich mir Sorgen um dich mache?«
»Möglicherweise fühlst du wirklich Besorgnis. Aber was für eine Rolle spielen denn Gefühle und Absichten? Du und Bedwyr, ihr habt vielleicht nichts Böses vorgehabt, aber dennoch habt ihr beiden meinen Sohn getötet.« Seine Augen wandten sich vom Zeltpfosten ab, und er begegnete meinem Blick. »War es denn nicht genug, daß ich den Mund gehalten habe, als ich von eurer Verbindung erfuhr, und daß ich alles getan habe, um dir zu helfen? War es dir nicht genug, daß Gwyn dir mutig zu Hilfe eilte, daß du ihn trotzdem umbringen mußtest?«
»Es war ein Unfall«, sagte ich, aber meine Worte klangen leer.
»Es ist vielleicht auch Sorglosigkeit gewesen und keine Absicht. Aber was spielt das für eine Rolle? Es ist getan.« Gawain setzte sich plötzlich gerade auf, keuchte dann vor Schmerz, ließ sich vornüber sinken und hielt sich den Kopf mit den Händen.
»Nicht!« schrie ich und versuchte, ihn zu stützen. »Du schadest dir nur selbst.«
»Was spielt das für eine Rolle?« fragte er und redete wie ein Mann, den ich noch nie kennengelernt hatte, und nicht wie der Freund, den ich seit vielen Jahren schätzte. »Für was soll ich denn wieder gesund werden? Du und Rhys und die anderen, ihr versteht nichts. My Lady, my Lady, du hattest so viel. Du hattest eine Sippe, und du warst das Juwel und der Schatz der Familie deines Vaters. Lange Zeit wollte er dich niemandem verheiraten, obwohl viele dich begehrten, denn er konnte keinen finden, der gut genug war, bis er den Kaiser von ganz Britannien fand. Und da wurdest du zur Krone des Reiches, zu der Dame, die alle Könige und alle Leute liebten und bewunderten - mit Recht. Ich will zugeben, daß es gerechtfertigt war. Aber du warst nicht zufrieden mit deinem Mann, du hast dir auch noch einen Liebhaber genommen, einen Mann, würdig genug, ein zweiter Kaiser zu sein. Und du hast sie vernichtet, obwohl du es nicht vorhattest. Aber, nicht zufrieden damit, zugrunde zu richten, was dir gehört, haben du und die deinen auch noch meinen Sohn vernichtet - meinen Sohn, der meine ganze Familie war und alles, was mir von meiner Liebsten, meiner Frau noch blieb. Dennoch sagst du noch immer, daß du dir Sorgen um mich machst. Du hättest deine Besorgnis besser zeigen können, indem du mich umbringst und meinen Sohn am Leben läßt.«
Vielleicht hätte ich zur Antwort etwas gesagt, aber die leeren Worte trockneten in meiner Kehle und würgten mich. »Es bekümmert mich«, sagte ich endlich.
Er lachte wieder das verbitterte Lachen. »Auch mich bekümmert es. Und noch viel schlimmer.«
»Würde Bedwyrs Tod oder mein Tod diesen Kummer verringern?«
Er saß da und schaute auf seine Füße. »Nein. Aber wenigstens wäre er gerecht. Etwas Gerechtigkeit würde in der Welt bleiben.«
»Dann sag mir - soll ich, wenn über mich verhandelt wird, die einfache Wahrheit sagen? Soll ich sagen, daß ich Britannien willig verlassen habe, und soll ich, für Verrat verdammt, sterben? Wäre dir das recht?«
»Wenn du das sagtest, dann würdest du lügen. Du bist nicht willig mitgegangen, sondern gegen deinen Willen, um Bedwyr zu trösten. O nein, deinen Absichten nach warst du unschuldig, und ohne Zweifel ist es auch Bedwyr. Nur, das ändert nichts. Und ich kann noch nicht einmal wünschen, daß du oder er sterben solltet. Ich bin noch immer. besorgt um dich. Es gibt keine Gerechtigkeit, noch nicht einmal im Herzen.« Er blickte auf, schaute durch mich hindurch, abwesend und menschenunähnlich. »Einmal bin ich zum Königreich des Sommers gesegelt, zur Anderwelt. Damals dachte ich, daß der Kampf zwischen Licht und Dunkelheit auf der Erde ausgefochten wird und daß die Absicht unseres Geistes ihn widerspiegelt und die Erde mit der Anderwelt verbindet. Aber jetzt scheint mir diese Welt abgeschnitten und weit entfernt von dort, denn selbst die besten Absichten jener, die dem Licht ergeben sind, können Dunkelheit schaffen. Und daher gibt es keine Gerechtigkeit, kann es keine Gerechtigkeit geben. Vielleicht ist es falsch, wenn wir überhaupt handeln. Vielleicht sind wir alle in Ewigkeit in die Hölle verdammt. Laß mich allein, my Lady.
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