Die Krone von Camelot
entdeckt, daß einige von diesen Schiffen selbst ein paar Überfälle durchgeführt hatten, und Artus ließ die Männer, die dafür verantwortlich waren, zum Tod verurteilen. Unglücklicherweise waren auch zwei Mitglieder der königlichen Familie dabei, und ihre Hinrichtung verursachte fast einen bewaffneten Konflikt. Lange Zeit danach gingen noch geflüsterte Gerüchte um: »Der Pendragon will das beenden, was die Ui’ Niall angefangen haben.«
Gleichzeitig zirkulierten überall die Gerüchte, die Medraut um seine eigene Herkunft in Umlauf gebracht hatte, und unsere Spione berichteten aus allen Ecken von Britannien davon. Kein König wagte Artus zu fragen, ob sie wahr waren, aber bald erkannten wir an der Unsicherheit einiger Leute, die mit uns umgehen mußten, und am Zögern von anderen, mit uns in Kontakt zu treten, wer sie glaubte. Das ungemütliche Gefühl, das die Gerüchte verursachten, war aber nirgendwo so deutlich wie in Camlann. Medraut hatte es geschafft, wieder den größten Teil seiner Gefolgschaft um sich zu versammeln, und die Streitereien in der Familie begannen aufs neue. Diesmal aber lag ein Unterschied darin. Früher hatte Medraut in erster Linie seinen Bruder Gawain angegriffen und bei Artus nur seine Entscheidungsfähigkeit im Hinblick auf Gawain in Frage gestellt. Er hatte angedeutet, daß mein Mann meinen parteiischen Launen gegenüber schwach sei. Jetzt war der Angriff direkt geworden: Artus hätte Medraut ungerecht behandelt wegen eines schrecklichen Geheimnisses - eines Geheimnisses, über das man in der Festung flüsterte und nach dem Hunderte von erschrockenen oder sorgenvollen Augen suchten, die sich auf Artus hefteten, wo immer er hinging.
Einige von Medrauts Gefolgsleuten fühlten sich nicht mehr so recht wohl, als die Richtung, in die der Angriff ging, deutlicher wurde. Ein paar von ihnen waren nach dem Vergiftungsversuch abgefallen und ein paar nach Agravains Tod. Aber es gab noch immer eine stattliche Anzahl von Männern, auf die Medraut sich verlassen konnte - hundertundsechs, und noch einmal fünfzig oder so, die unsicher waren, wem sie die Treue halten sollten. Diese letzte Gruppe wurde ständig kleiner, denn die Männer entschlossen sich mehr und mehr, wem sie glauben wollten und wem sie am Ende folgten.
Der Winter war nicht ruhig. Artus trieb sich voran, wie er es seit dem Höhepunkt des Krieges nicht mehr getan hatte. Er stand vor Sonnenaufgang auf und arbeitete den ganzen Tag und versuchte, die Männer beschäftigt zu halten und ihre Streitereien zu verhindern. Er bot ihnen ein halbes Hundert Ablenkungen, damit wir Zeit gewannen. Er schickte unaufhörlich Boten an die Könige von Britannien, und das unter allen möglichen Vorwänden, damit seine Autorität ihnen vor Augen blieb und er den Kontakt hielt, den so viele der Könige gern abgebrochen hätten. Er tat so, als ob er noch nie etwas von den Gerüchten gehört hätte, und versuchte, so zu handeln, als ob seine Energie und Kraft von der Zeit nicht angekränkelt wären, als ob ihn noch immer die alte Begeisterung, die alte Freude bewegte. Aber am Abend brach er erschöpft auf dem Bett zusammen und war kaum noch fähig, sich zu bewegen. In der Nacht hatte er Träume: Er wachte oft auf und rief den Namen Morgas’. Dann ging er ans Schreibpult, zündete die Lampe an und las unsere abgenutzten Bücher durch, oder er schrieb stundenlang wütende Briefe. Ich wachte dann auch auf und erhob mich, und dann sah ich ihn im Nebenzimmer über das Schreibpult gebeugt, und das Lampenlicht beleuchtete die Knochen und Höhlungen seines Gesichts, so daß es wirkte wie ein Totenkopf. Ich ging dann hinüber und versuchte, ihn dazu zu bewegen, wieder zurückzukommen und auszuruhen, denn er brauchte den Schlaf verzweifelt. Trotz all der erzwungenen Energie während des Tages konnte er das nicht verbergen. Der Alptraum preßte seinem Gesicht den Stempel auf, tiefer und immer tiefer, und ich konnte die eingegrabenen Linien nicht wegglätten.
Selbst wurde ich auch so erschöpft, daß mein Hauptwunsch darin bestand, allem zu entrinnen. Ich hatte genausoviel zu tun wie Artus, und ich hatte das Gefühl, als ob all unsere Arbeit darin bestünde, unseren eigenen Schatten zu fangen. Gleichgültig, wie schwer wir arbeiteten oder was wir sagten und taten und welchen Vorteil wir daraus gewannen - die Gerüchte hielten Schritt mit uns. Oft hatten wir das Gefühl, als ob wir nicht mehr leisten könnten, und dann stellten wir nur fest, daß wir noch
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