Die Krone von Lytar
und nahm hastig einen Schluck Wein. »Nun«, murmelte er, »ich denke, das würde ich …«
»So soll es denn sein«, erklärte Barius und schien tief durchzuatmen. »Doch ich werde eure Kraft dazu brauchen, meine Freunde. Also sprecht mit mir das Gebet.«
Die Hüter knieten sich in einem Kreis um die Überreste der Sera, wobei sie die Spitzen der gezogenen Schwerter gen Boden richteten und ihre Häupter senkten. Barius leitete das Gebet, und seine Mitstreiter sprachen ihm nach. Ihre Fürbitte gewann langsam an Kraft und Stärke. Garrets Augen waren feucht, und auch seine Lippen bewegten sich zum Gebet des Priesters.
Und so rief Barius seinen Herrn um Gnade für die Sera an, die niemals ihre Pflicht vergessen habe und auch nach so langer Zeit bereit war, ihr Leben zu geben, um die zu schützen, die ihr anvertraut waren.
Da Loivan der Gott der Gerechtigkeit und Pflichterfüllung war, wurde die Bitte erhört. In einer Spirale aus Licht, das gleißend hell und sanft zugleich war, formte sich der Körper der Sera aus dem Staub, den Knochen und der Asche neu. Nackt und wunderschön stand die Wiedergeborene vor ihnen, und als sie die Augen öffnete und ihre Freunde erblickte, die vor Erschöpfung zusammengesunken waren, verstand sie, was geschehen war. Mit zitternden Fingern betastete sie ihren Körper und fuhr sich über das jugendliche Gesicht, dann sackte sie in sich zusammen und begann zu weinen.
Als einer der Hüter sich anschickte, eine Decke über die Sera zu breiten, stand Garret auf und entfernte sich lautlos, um die Intimität der Situation nicht zu stören.
Auf seinem Weg zurück ins Dorf ritt er langsam und nahm sich die Zeit, darüber nachzudenken, wie Freundschaft und Pflichtbewusstsein beschaffen sein mussten, um Jahrhunderte zu überdauern, und was es bedeutete, freiwillig den Fluch der Unsterblichkeit auf sich zu nehmen, nur weil man eines fernen Tages gebraucht werden könnte. Seine Achtung vor den Hütern wuchs beträchtlich, und er wünschte sich, er hätte sie kennen gelernt, als sie noch wahrhaftig gelebt hatten.
»Das ist ja schön und gut«, unterbrach Lamar den Alten. »Aber eine wirkliche Hilfe waren Euch die Hüter ja nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Hätten sie denn nicht mehr tun können? So wie Ihr es beschreibt, war der Konvent, der sie an ihr Versprechen band, ja nun gebrochen. Warum taten sie dann nicht mehr?«
Der alte Mann sah Lamar nachdenklich an. »Die Hüter waren nicht wirklich untätig«, gab er dann zu bedenken. »Meliande verhinderte einen Überfall aufs Dorf, und sie alle waren zur Stelle, als uns der Händler angriff.«
Lamar winkte ab. »Das mag ja sein. Aber all die Kriegsgeräte im Depot … Warum lehrten sie Euch nicht einfach, wie man sie benutzt? Wenn die alte Magie so mächtig war, wäre es doch ein Leichtes gewesen, den Gegner damit in die Flucht zu schlagen.«
Der alte Mann nickte. »Ihr könnt mir glauben, dass sich damals viele diese Frage stellten. Doch es hatte einen guten Grund, auf ihren Einsatz zu verzichten. Ihr erinnert Euch an Marten?«
»Der Junge, der den Falken stahl?«
Der alte Mann nickte erneut. »Wie weise die Anordnung des Bürgermeisters gewesen war, die Kriegsgeräte nicht zu. nutzen, musste sein Sohn am eigenen Leib erfahren, als er gegen sie verstieß …«
16
Marten und der Falke
Als Marten zögernd auf die Lichtung vor dem Depot hinaustrat, erkannte er, dass er keinen besonders günstigen Zeitpunkt gewählt hatte. Das Tor des Depots war weit geöffnet, und vier der Hüter hatten sich etwas abseits um drei frische Erdhügel herum versammelt. Barius, der Priester Loivans, stand dort mit gesenktem Haupt, neben ihm Meliande, die in dem altmodischen grünen Kleid, das sie statt ihrer Rüstung trug, einen ungewöhnlichen Anblick bot, und zwei weitere Hüter, deren Namen Marten vergessen hatte. Auch sie hielten ihre Köpfe gesenkt und schienen tief in ein stilles Gebet versunken.
Es war Meliande, die aufsah und zu ihm hinüberblickte. Sie sagte etwas zu ihren Freunden, die daraufhin nur nickten, dann kam sie auf Marten zu, der immer noch am Waldrand stand.
»Habe ich das zu verantworten?«, fragte Marten furchtsam und sah von den Grabhügeln zu Meliande hinüber, die ihm seltsam verändert vorkam. Es dauerte eine Weile, bis er den Grund dafür erkannte. Die Sera Meliande wirkte jünger als zuvor und schien nun kaum eine Handvoll Jahre älter zu sein als Vanessa.
Meliande musterte ihn lange. Ihre grünen Augen
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