Die Krone von Lytar
Geistergeschichte mit untoten Rittern und Jungfrauen? Immerhin hatten wir bereits einen Drachen!« Er erntete dafür einen empörten Blick des Gastwirts. »Also wirklich! Ein alter magischer Schatz, Todesritter, die ihn bewachen …« Er schüttelte den Kopf. »Abgesehen davon, habe ich noch nie davon gehört, dass es siebzehn Elfennationen gegeben haben soll!«
»Es beruhigt ungemein, immer alles zu wissen, nicht wahr?«, fragte der alte Mann und stopfte in aller Ruhe seine Pfeife.
Lamar schwieg beleidigt, griff nach seinem Becher und trank einen Schluck.
»Auch wenn Elfen lange leben, so lange, dass man sie oft als unsterblich betrachtet, vergeht die Zeit und begräbt nicht nur Leben, sondern auch Nationen. So erging es auch den Elfen. Heute gibt es nur noch wenige von ihnen, und manches menschliche Dorf steht heute auf Boden, der den Elfen heilig ist. Es gibt zu viele von uns und zu wenige von ihnen, als dass sie gegen die Menschen bestehen konnten. Sie spürten, dass eine andere Zeit heranbrach, und zogen sich immer weiter zurück. Sie verließen ihre Länder und gingen … wohin auch immer der Weg sie führte. Nur drei der einstmals siebzehn großen Nationen sind noch übrig, die anderen sind von uns Menschen vergessen, aber nicht von den Elfen selbst.«
»Wenn Ihr es sagt …«, meinte Lamar. »Nun gut, alter Mann, ich habe lange genug zugehört und darüber hinaus auch schon mehr als genug für den Wein bezahlt, also werde ich mir wohl auch den Rest Eurer Geschichte anhören! Aber ehrlich …« Er schüttelte den Kopf. »Drachen und Todesritter?«
»Wollt Ihr nun diese Geschichte oder eine andere erzählt bekommen?«, fragte der Gastwirt etwas barsch. »Kümmert Euch nicht um den Preis des Weines«, fuhr er fort. »Mir ist es den Wein gerne wert.«
»Wir wollen alle wissen, wie es weitergeht, Großvater«, rief eine junge Frau aus der Menge, und Lamar schnaubte, zog es dann aber vor, nichts mehr zu sagen, als er die Blicke bemerkte, die ihm die anderen zuwarfen.
»Die Geschichte geht tatsächlich noch ein ganzes Stück weiter«, lächelte der alte Mann. »Die fünf Hüter des Konvents waren also verschwunden, und das Tor zum Depot war offen …«
Der Raum, der sich hinter dem Tor auftat, war riesig, gute achtzig Schritt lang und bestimmt vier Stockwerke hoch. Boden, Wand und Decke waren mit grauen Steinkacheln verkleidet, und einige der Kacheln in der Decke spendeten ein so helles Licht, wie es hundert Fackeln nicht hätten tun können. Die Luft, die ihnen entgegenschlug, war trocken und staubig, doch es roch nicht nach Moder.
»Es riecht nach Vergangenheit«, sagte Elyra leise, als sie ihren Blick über die vielen Kisten, Kästen und Behälter wandern ließ, die zum Teil in geöltes Leder eingewickelt, zum Teil ohne weitere Umhüllung, nur von Staub bedeckt, aufeinander gestapelt waren. Manche der Schatullen und Behälter waren so klein, dass man sie in der Hand halten konnte, andere so groß, dass sie bis an die Decke des riesigen Raumes reichten. Die Gänge zwischen den Kisten und Kästen waren teils eng, teils weit, aber sie erlaubten stets den bequemen Zugang zu jedem Behälter.
»Ich weiß nicht, wie es euch geht«, fuhr Elyra leise fort und strich sich nervös ihr Kleid zurecht. »Mir jedenfalls macht das hier alles Angst.«
»Da bist du nicht allein«, stimmte Tarlon ihr zu. Aber noch während er sprach, eilten andere an ihm vorbei ins Depot, um dessen Schätze neugierig zu begutachten.
»Leute!«, rief der Bürgermeister plötzlich lautstark. Da es hier keinen Brunnen gab, war er, erstaunlich behände für einen Mann seines Alters und Berufs, auf eine der größeren Kisten geklettert. Die Leute hielten augenblicklich in ihrem Tun inne und sahen überrascht zu ihm hoch.
»Wir haben auf Treu und Gewissen versprochen, nichts aus dem Depot mitzunehmen. Ich beabsichtige, mein Versprechen einzuhalten! Seid daher vorsichtig und fasst nichts an, vor allem keine Kriegsmaschinen!«
»Hier gibt es keine Kriegsmaschinen!«, rief jemand. »Nur unnützes Zeug!«
»Das würde ich so nicht sagen«, sagte Ralik. Er hatte die Klappe der Kiste geöffnet, auf der der Bürgermeister stand, und auf seinem Gesicht mischten sich gleichermaßen Ehrfurcht und Schreck.
Der Bürgermeister sprang von der Kiste herunter. »Was ist das? Götter, steht uns bei!«
In der Kiste, einer der größten hier im Depot, standen vierzig schwarze Ritter, metallene Statuen, die etwa doppelt so groß waren wie ein normaler
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