Die Krone von Lytar
»Das würde er doch nie tun! Er sprach nur davon, auf die Untote geschossen zu haben, und auf diese habe er auch gezielt!«
Elyra sah Marten fest in die Augen. »Fragt ihn doch«, sagte sie dann zum Bürgermeister. »Mal sehen, was er antworten wird, wenn er mir in die Augen sehen muss.«
Der Bürgermeister zögerte einen Moment und zog Marten dann zu sich heran. »Mein Sohn, trug es sich so zu, wie Elyra es sagt?«
»Ich … es war dunkel, und ich …«, stammelte Marten.
»Er stand keine zwanzig Schritt entfernt«, sagte Garret kalt. »Er war bereit, Elyras Tod in Kauf zu nehmen!«
»Ihr hättet sie sehen sollen, Vater!«, rief Marten verzweifelt. »Sie war nichts als ein Skelett mit ein paar ausgefransten Haaren! Und Elyra schmiegte sich an sie, als wäre sie ihre Mutter!«
»Sie ist meine Ahnin«, sagte Elyra fest. »Wie sie dir erschien, Marten, ist egal. Eben hast du es selbst zugegeben. Ich war an sie geschmiegt, und du hättest mich getroffen!«
»Außerdem, wenn sie ein Skelett wäre und nur aus Knochen bestände, was hast du dir von deinem Pfeil überhaupt erhofft?«, fragte Vanessa kühl. »Hättest du dich auch nur bemüht nachzudenken, wärst du zu uns gekommen und hättest gefragt, was du wissen wolltest. Dieser Schuss war … heimtückisch!«
»Ich wollte das nicht!«, rief Marten und schniefte. »Ich hatte einfach nur Angst, dass sie euch etwas antun würden!«
»Also war es so, wie Elyra behauptet?«, fragte der Bürgermeister mit grimmiger Miene und schüttelte Marten leicht. Dieser sah betreten zur Seite, bevor er nickte.
»Ja … und als ich verstand, bin ich geflohen. Ich habe sogar noch auf Garret geschossen, der mir nacheilte!«
Das war auch für Garret neu. Er hatte es nicht einmal bemerkt.
»Gut«, sagte der Bürgermeister und richtete sich zu voller Größe auf. Seine Hand lag schwer auf Martens Schulter, der auf einmal wie ein kleiner Junge wirkte, obwohl er nur ein halbes Jahr jünger als Garret war. »Ich werde ihn bestrafen.«
»Nein«, widersprach Elyra. »Das wäre nicht gut.«
Der Bürgermeister sah sie überrascht an, aber es war Tarlon, der sprach. »In diesen Zeiten würde eine Bestrafung Martens unseren Glauben an uns selbst erschüttern. Wir sind nur stark, weil wir geeint sind. Es ist niemand zu Schaden gekommen, und selbst die Sera Meliande wusste dies. Deshalb rief sie ihn ebenfalls zurück.«
Elyra trat vor Marten, streckte die Hand aus und hob das Kinn des jungen Mannes an, bis dieser ihr in die Augen sah.
»Hattest du die Absicht, mich zu ermorden?«, fragte sie leise, und Marten schüttelte heftig den Kopf. »Nein … niemals … Ich könnte das doch gar nicht!«, schniefte er und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich wollte das alles nicht! Doch in dem Moment, als ich schoss, erkannte ich Elyra nicht. Sie war anders, fremd und keine von uns!«
Tarlon hob überrascht den Kopf, und Garret erinnerte sich an die Worte des Falkners, der die Worte »nicht von Lytar« verwendete. Fremd.
»Marten«, sagte Garret. »Was du dir geliehen hast, will ich zurückhaben, verstehst du? In einer Kiste … und ohne dass du es noch einmal berührst, in Ordnung?«
Der Bürgermeister sah Garret fragend an, aber Marten nickte nur.
»Etwas, das er sich ausgeliehen hat«, erklärte Elyra, und jetzt war es an Garret, überrascht zu sein. Er dachte, er wüsste als Einziger, dass Marten den Falken entwendet hatte.
Elyra hielt indes noch immer Martens Kinn in ihrer Hand. »Ist dir das eine Lehre, Marten?«, fragte sie sanft, und der Junge nickte. Elyra ließ ihn los und sah zu Martens Vater hoch. »Eine Bestrafung ist nicht notwendig, denn er fand die Einsicht auch ohne sie. Es ist niemandem etwas passiert.«
Sie grinste plötzlich. »Wir wollen das Fest genießen und müssen noch unsere Pferde versorgen. Wenn du willst, kannst du das für uns tun, Marten.«
»Ja, sofort!«, rief dieser und griff nach den Zügeln der Pferde. »Ich werde mich sofort um sie kümmern.«
Elyra machte einen höfischen Knicks vor dem Bürgermeister, lächelte ihn noch einmal an … und ging davon.
»Wir hatten einen langen Tag«, sagte Vanessa entschuldigend, woraufhin die anderen anfingen, laut zu lachen, und dann Elyra folgten.
»Haben sie dich gerade stehen lassen, Anselm?«, sagte Pulver amüsiert, der soeben hinzukam.
»Sieht ganz so aus«, antwortete der Bürgermeister kopfschüttelnd und sah zu, wie sein Sohn die Pferde in den Stall brachte. Mit dem hatte er noch ein Wörtchen
Weitere Kostenlose Bücher