Die Krone von Lytar
als er den Bürgermeister zusammen mit einem jungen Mann sah. Er war groß, gut gebaut und schlank und trug eine wunderbare golddurchwirkte Robe. Er schien sich ernsthaft mit dem Bürgermeister zu unterhalten.
»Wer ist das denn?«, fragte Elyra neugierig, die nach ihrem Tanz etwas erhitzt aussah und sich mit einem Fächer kühle Luft zuwedelte. Sie trank einen Schluck von Tarlons Bier.
»Sieht aus, als wäre das der neue Priester«, sagte Astrak und setzte ebenfalls den Humpen an.
»Muss wohl einer sein. Niemand, der bei Vernunft ist, zieht so etwas Auffälliges an«, meinte Garret.
»Was ist denn mit dem alten Priester?«, fragte Elyra.
»Das Alter. Er ist gestorben, wenigstens habe ich das gehört«, antwortete Astrak. »Er muss schon über hundert gewesen sein.«
»Mein Großvater war hundertzehn!«, protestierte Garret.
Astrak zuckte die Schultern. »Ich habe gehört, dass die Menschen außerhalb des Tals nicht so alt werden wie wir. Vater sagt, der Tod kommt früher oder später zu jedem von uns. Bei einigen ist später eben früher.«
»Manchmal hasse ich deinen Vater«, sagte Garret. »Was er sagt, ergibt beim ersten Hören oft keinen Sinn. Aber später beißt es einen in den Hintern!«
»Das ist Vater«, sagte Astrak. Er grinste breit und rieb sich demonstrativ seine Sitzfläche. Sie lachten.
Astrak lehnte sich gegen den Brunnenrand und streckte sich. »Kennt jemand die Gewänder? Der letzte Priester sah anders aus.«
»Der letzte Priester diente Jaran«, erklärte Tarlon.
»Jaran steht für Ackerbau und Viehzucht, nicht wahr?«, fragte Garret. »Die Ernten waren immer gut, jedenfalls solange ich mich erinnern kann. Es ist seltsam, einen neuen Priester zu haben, wenn man sein Leben lang nur den Priester eines anderen Gottes kennt.« Er nahm einen Schluck Bier. »Ich frage mich, wie viele Götter es gibt.«
»Es muss sehr viel mehr geben, als wir kennen«, sagte Elyra. »Mutter hat ein Buch zu Hause, in dem alle drinstehen. Es gibt eine Menge. Aber warum kommt immer nur ein Priester hierher?«
»Vater meint, es läge daran, dass sie alle verzweifeln, weil keiner ihrem Glauben beitreten will«, meinte Tarlon bedächtig. »Wir dienen Mistral, und so wird es bleiben. Andere Götter interessieren hier kaum jemanden.«
»Mich schon. Ich würde gerne wissen, welche Götter es sonst noch gibt«, meinte Elyra nachdenklich. »Es muss schön sein, einem Gott zu dienen. Wären Priesterinnen der Mistral erlaubt, wäre ich gerne eine.«
Tarlon sah sie überrascht an. »Wie kommst du darauf?«
»Ich liebe sie«, antwortete Elyra. »Es ist einfach so, ich würde ihr gerne dienen.«
Tarlon sagte nichts weiter. Er sah zur Seite, um seine Gedanken zu verbergen.
»Sag mal, Garret, nimmst du später am Wettbewerb teil?«, wollte Astrak wissen.
Garret nickte. »Klar doch. Das will ich nicht verpassen.«
»Einige sagen, der Elf würde auch daran teilnehmen. Ich frag mich nur, wie das gehen soll. Er ist doch blind!«
»Das ist er«, grinste Garret. »Aber ich bezweifle, dass es einen Unterschied macht.«
»Nun, es wird ihm auch nicht helfen. Jeder weiß, dass Elfen nicht gerade schießen können. Jedenfalls ist die Sera Bardin nicht in der Lage, einen Bogen richtig zu halten. Dafür soll sie gemeingefährlich gut mit ihren Messern sein.«
»Welche Messer?«, fragte Garret interessiert. »Ich habe bei ihr bisher immer nur ihren Dolch gesehen, den sie zum Essen verwendet.«
»Ich hab es ja auch nur gehört«, sagte Astrak.
»Und wer ist das?«, fragte Vanessa, die zusammen mit Tarlon auf sie zukam und ihrem Bruder den Bierhumpen aus der Hand wegschnappte. Sie wies mit dem Humpen auf einen schwer beladenen Handelswagen, der am Rand des Marktplatzes gerade einen freien Platz einnahm. Der Mann, der ihn schob, war groß, schlank, reich gekleidet und hatte eine Halbglatze und eine Hakennase.
»Ein neuer Händler, denke ich. Er sieht aus wie ein Kranich«, sagte Elyra und kicherte, was ihr von den Freunden einen überraschten Blick eintrug.
»Mag sein, dass er wie ein Kranich aussieht«, sagte Vanessa und musterte den Mann mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Aber ich kann ihn trotzdem nicht leiden!«
»Mich interessiert etwas ganz anderes«, sagte Tarlon und nahm seiner Schwester den Bierhumpen wieder ab. Der Händler wurde von zwei Männern mit Schwert und Kettenrüstung begleitet. »Wofür braucht der Mann zwei Wachen?« Er hob den Humpen, runzelte die Stirn und sah Vanessa böse an. Die versuchte unschuldig
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