Die Küsten der Vergangenheit
diese Augenblicke im Himmel erinnern, an die Zeit, als Dunkelheit und Chaos und Schwäche von ihr abgefallen waren. An die Zeit, als Jeri gespürt hatte, wie es war, gottgleich zu sein.
Adam und Max kehrten in Druckanzügen zurück, um Arkys Leichnam zu bergen. Zwei Tage später sagten sie ihm mit einer stillen katholischen Trauerfeier in der Kapelle des Reservats Lebewohl. Der Priester aus Devil’s Lake sprach die überlieferten Worte in Sioux.
Die versammelte Trauergemeinde bestand zu gleichen Teilen aus Indianern und deren Freunden. Eine nicht unbeträchtliche Menge attraktiver junger Frauen war darunter, genauso wie neun Mitglieder einer Basketball-Jugendmannschaft, deren Co-Trainer Arky gewesen war.
Max wußte, daß man von ihm als einem der Nutznießer von Arkys Opfer ein paar Worte erwartete, die den Unglücksfall schilderten. Er schrieb seine Gedanken in Stichworten in ein Notizbuch, doch als er schließlich mit seiner Rede an der Reihe war, schien das Notizbuch in seiner Tasche Ewigkeiten entfernt. Max spürte Verlegenheit bei dem Gedanken, jemand könne glauben, er müsse in sein Notizbuch sehen, um seine Gefühle einem Mann gegenüber auszudrücken, der sein Leben gerettet hatte. »Arky kannte weder mich noch April besonders gut«, begann er. »Einige Monate zuvor waren wir noch Fremde.
Heute stehen April und ich nicht nur hier, weil Arky so mutig gehandelt hat, sondern auch, weil er unter extremen Bedingungen nicht den Kopf verlor. Er muß gewußt haben, daß er sich selbst nicht mehr retten konnte. Und so gab er sein eigenes Leben, um das unsere zu retten.«
Max atmete tief durch. Seine Zuhörer beugten sich aufmerksam vor. »Als ich zum ersten Mal Arkys Büro betrat, bemerkte ich einen alten Bogen an der Wand über seinem Schreibtisch. Es war der Bogen seines Vaters, erklärte er. Ich konnte sehen, wie stolz Arky darauf war. Der Bogen ist die Waffe eines Kriegers. Mein Vater ist ebenfalls ein Krieger, und er wäre stolz auf einen Sohn wie Arky.« Max erschauerte. Wieder einmal sah er das kleine Mädchen im Fenster des Flugzeugs vor sich.
Er hatte gehofft, dieses Bild wäre für immer aus seinem Kopf verschwunden, nachdem er April durch das Tor gefolgt war. Doch in der kühlen Klarheit des Augenblicks wurde ihm bewußt, daß dieses Bild ihn bis an sein Lebensende begleiten würde.
Es ist Brauch unter den Stämmen der Dakotas und des Nordwestens, daß sie ihr Gefühl von Verlust überspielen. Statt zu trauern, feiern sie das Leben und die Taten des Geistes, der Fleisch geworden ist und vorübergehend unter ihnen gelebt hat. Ein Teil dieser Feier ist das rituelle Schenken, das die Mitglieder der Familie des Toten zelebrieren.
Gegen Ende der Trauerfeier wurde Max zu seiner Überraschung von einem Teenager nach vorn gerufen, der sich als Arkys Bruder vorstellte. »Wir haben etwas für Sie«, sagte der Knabe.
Ein erwartungsvolles Raunen ging durch die Menge, als Arkys Bruder eine lange, schmale Schachtel in einem handgewebten Stück Stoff hervorzog. Max dankte ihm und öffnete das Paket. Es war Arkys Bogen.
»Ich kann das nicht annehmen«, protestierte er.
James Walker erhob sich und wandte sich zu den Anwesenden um, so daß jeder seine Worte hören konnte. »Sie selbst haben gesagt, der Bogen sei die Waffe eines Kriegers.«
Allgemeiner Applaus erklang.
»Ich bin kein Krieger«, entgegnete Max. »Ich bin ein Geschäftsmann.«
Der Vorsitzendes des Siouxstammes lächelte. »Sie besitzen den Geist eines Kriegers, Collingwood. Arky gab sein Leben für Sie, und die Familie hat entschieden, daß der Bogen Ihnen gehört.« Als Max noch immer zögerte, fügte er hinzu: »Er würde sich wünschen, daß der Bogen sein neues Heim bei ihnen findet.«
Einer der Studenten führte den Besucher herein, blickte April fragend an und zog sich wieder zurück.
Sie erhob sich und streckte die Hand aus. »Mister Asquith?«
»Erfreut, Sie kennenzulernen, Dr. Cannon.« Asquiths Händedruck war unsicher, er drückte ihre Finger. »Ich weiß nicht, ob Sie schon von mir gehört haben.«
Sein Ton enthielt eben genug Selbstzweifel, um erkennbar zu machen, daß Asquith sich tatsächlich für jemanden hielt, der nicht ganz unbedeutend war. Er war schließlich Walter Asquith, Kritiker, zweifacher Träger des Pulitzerpreises, Essayist, Romancier und Poet, bekannt durch eine Reihe bitterer, gesellschaftskritischer Werke, deren letztes, Late News from Babylon, sechs Monate lang die Spitze der Bestsellerliste der New
Weitere Kostenlose Bücher