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Die Küsten der Vergangenheit

Die Küsten der Vergangenheit

Titel: Die Küsten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Zuschauer zu verängstigen, dann diese.
    »Und das Kind«, fragte der Moderator freundlich, »das Kind lag an der Stelle, von wo Sie die Schneesäule vertrieben haben?«
    »Ich denke nicht, daß das die Sachlage korrekt wiedergibt«, entgegnete Stuyvesant.
    »Und was genau ist geschehen, Jim?«
    »Ich hatte den Eindruck, das Ding wollte mir zeigen, wo das Kind lag.«
    Der Moderator nickte. »Können wir die letzten Augenblicke vielleicht noch einmal sehen, Phil?«
    Sie beobachteten, wie der Schneewirbel systematisch zurückwich, innehielt, erneut zurückwich. Unglücklicherweise kam bei der Aufnahme die Verbindung zwischen den Bewegungen des Schneeteufels und des Kameramannes nicht heraus, doch die Zuschauer sahen auch so genug.
    »Stimmt es, daß Jeri vorher noch niemals allein von zu Hause weggegangen ist?« fragte der Moderator.
    »Jedenfalls sagt das ihre Familie. Und wenn sie das sagt, dann bin ich sicher, daß es so ist.«
    »Warum glauben Sie, daß Jeri diesmal weggegangen ist?«
    »Ich weiß es nicht. Ich schätze, es war einfach Zufall.«
    »Jim, ist vielleicht etwas an den Gerüchten, daß sie verleitet worden ist? Das dieses Ding versucht hat, Jeri aus der Stadt zu locken?«
    »Ich denke nicht.«
    Die Kameras zoomten zu einer Nahaufnahme des Moderators heran, der seinen Zuschauern mit nachdenklichen Blicken entgegensah.

 
26
     
     
    So leb denn wohl, mein Sohn!
    Du bist über den großen Fluß gegangen -
    Sprichwort der Blackfoot-Indianer
     
     
    Wenn es in dieser Zeit einen Fall von wirklicher Ungerechtigkeit gegen eine Person gegeben hatte, die in Fort Moxie oder dessen Umgebung lebte, dann gegen Jeri Tully. Aber wie jedes Ding zwei Seiten besitzt, so bedeutete die an Jeri verübte Ungerechtigkeit auch hier ein unschätzbares Geschenk.
    Aus Gründen, die dem Stab von Spezialisten verborgen geblieben waren, die Jeri untersucht hatten, war Jeri in ihrem Wachstum zurückgeblieben. Ihr Schädel war nie groß genug geworden, um einem normal entwickelten Gehirn Platz zu gewähren. Folglicherweise war das Kind nicht nur in der Größe, sondern auch in seiner geistigen Entwicklung zurückgeblieben. Ihre Welt war ein konfuses Durcheinander, ein Ort voller Zufälle und Unvorhersehbarkeiten, an dem das Prinzip der Kausalität wenn überhaupt, dann nur in Ansätzen galt.
    Jeris Freuden waren zum größten Teil auf taktile Erfahrungen beschränkt. Das Lächeln ihrer Mutter, eine Astronautenpuppe, die sie in ihr Herz geschlossen hatte, ihre jüngeren Brüder und (freitags abends) Pizza. Sie zeigte wenig Interesse am Fernsehen, und sie war auch nicht imstande, bei den Spielen mitzumachen, die ihre normalen Altersgenossen spielten. Sie war außer sich vor Freude, wenn ein Besucher ihr seine Aufmerksamkeit zuwandte. Und sie liebte die Star-Wars- Filme, wenn auch nur im Kino.
    June Tully spürte eine Veränderung in ihrem Kind, nachdem Jim Stuyvesant Jeri an jenem kalten Tag im April nach Hause gebracht hatte. Sie war nicht imstande, die Veränderung an irgend etwas festzumachen. Das Gefühl war auf der anderen Seite so flüchtig, daß sie niemals mit ihrem Mann darüber sprach.
    Jeri begriff wegen ihrer Behinderung nicht, was ihr fehlte, und deswegen verspürte sie weder Trauer noch Schmerz. Ihre einfache Weltsicht bedeutete für Jeris Familie den einzigen und zugleich grenzenlosen Trost. Als Jeri jedoch halb erfroren im Schnee abseits der Route 11 gelegen hatte, war ihr etwas Einzigartiges widerfahren. Sie hatte Angst verspürt, allerdings keine Angst um ihr Leben; sie war ohne Vorstellung vom Begriff der Gefahr. Sie hatte Angst, weil sie nicht gewußt hatte, wo sie sich befand, wo ihr Zuhause lag. Und weil sie der Kälte nicht entfliehen konnte.
    Plötzlich war irgend etwas in ihre Welt eingedrungen. Ihr Verstand hatte sich geöffnet wie eine Blume, die sich der Sonne entgegenreckt. Sie war in den Himmel hinauf geschwebt und auf dem Wind geritten, und eine Woge der Freude hatte sie erfaßt, die mit nichts zu vergleichen war, was sie bis dahin erlebt hatte. Jeri war weit über ihre eigenen engen Schranken hinaus nach außen vorgedrungen.
    Während jener kurzen Augenblicke hatte Jeri den Zusammenhang zwischen Hitze und Wind und das Hin und Her von freiem, blauem Himmel und geschwollenen Wolken begriffen.
    Sie war über das Land gefegt, als wäre sie selbst ein Sturm, ein Ding, das zu gleichen Teilen aus Wind, Sonne und Schnee gemacht worden war.
    Für den Rest von Jeris Leben würde sich ihr verkrüppeltes Gehirn an

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