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Die Kundschafter

Die Kundschafter

Titel: Die Kundschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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auf dicken Bohlen, die ihrerseits wieder auf wuchtigen Steinquadern ruhten. Die Wände wölbten sich teilweise wie die einer Barke nach außen. Überall sickerte Pech durch die Planken. Im Inneren dieser merkwürdigen Konstruktion ertönte ein andauerndes Rumpeln und Knacken, Knistern und Surren, das plötzlich lauter wurde, als sich die Tür vor Gapolo öffnete.
    »Wer seid ihr?« fragte ein alter Mann, der sich mit der linken Hand am Holzrahmen festhielt. Er blickte an Gapolo vorbei, und als sich der Salamiter umdrehte, erkannte er, dass der Alte seine Augen auf einen Punkt richtete, an dem keiner der anderen Reiter stand.
    »Wir sind vier friedliche Reiter. Aber wo sind wir hier in Wirklichkeit? Deine Mühle sieht aus wie ein Schiff, das auf der Lorana gestrandet ist.«
    »Ich bin Vercin, der blinde Mautner«, sagte der Alte mit seltsam flacher Stimme. »Ich nehme Maut von jeder Welle. Braucht ihr meine Hilfe?«
    Mythor rief von hinten: »Vielleicht eine Mahlzeit? Und ich möchte mein Tier in deine Obhut geben!«
    »Kommt näher! Hier herein; es wird für euch keine Heldentat sein, einen blinden Greis zu erschlagen und die Mühle zu plündern.«
    Buruna antwortete mit weicher Stimme: »Wir plündern nicht. Meine Kameraden und ich reiten zum Hochmoor. Wir wollen deine Wasserräder nicht anhalten.«
    »Meine Mühlen mahlen langsam«, sagte der Alte und gab den Weg frei, ohne die Wand und das Geländer loszulassen, »aber kommt nur näher. Lorana wird euch führen.«
    Sie stiegen ab und führten Pandor und die Pferde die Schrägfläche hinauf. Der Schneefalke ließ sich auf dem Giebel des Mühlenschiffs nieder, der Wolf blieb wachsam am Ufer des Baches. Was hatte er gesagt? »Lorana wird euch führen.«
    Der Fluss?
    »Eine merkwürdige Umgebung«, brummte Lamir. »Ich werde die Szenerie durch ein paar muntere Lieder auflockern.«
    Gapolo antwortete in grimmigem Spott: »Wir sollten unser Gastrecht nicht zu sehr strapazieren. Warte, Lamir, bis der alte Mann deine Lerchenstimme zu hören begehrt.«
    Beleidigt senkte Lamir den Kopf. Aber seine Augen leuchteten auf, als er ein blutjunges Mädchen aus der Dämmerung der überraschend leeren Räume auftauchen sah.
    Sie musterte die Reiter und sagte dann: »Vercin ist blind. Ich bin seine Augen. Beschädigt nichts! Es ist sein Lebenswerk.«
    Die schräge Rampe führte in eine würfelförmige Kanzel und von dort durch einen breiten Korridor in den flussabwärts gelegenen Bereich der Mühle. Hier kam durch schmale Schlitze unter der pechgetränkten Holzdecke das Tageslicht und zeigte Ställe und abgeteilte Käfige in allen Größen.
    Lautlos war Vercin herangekommen, hielt sich an einem Stück Geländer fest und sagte: »Mein Lebenswerk ist die Mühle. Das Böse wird das Übergewicht erringen. Die Schattenzone breitet sich täglich mehr und mehr aus. Dann wird das Große Schaurige Horn ertönen. Meere und Flüsse treten über ihre Ufer. Ich bin gerüstet.«
    »Ich verstehe«, sagte Mythor langsam und dachte daran, dass die Beobachtungen plötzlich einen Sinn bekamen. Die Ställe und Käfige der Mühlenarche waren fast alle leer, aber rund um die Mühle hatten die Reiter auffallend viele Tiere gesehen. »Und dann wirst du dich retten können, Vercin.«
    »Meine Mühlen mahlen langsam, aber seit ich Lorana aus dem Fluss gezogen habe, ist viel Leben in der Arche. Ich spüre, dass das Reittier des Mannes, der eben spricht, etwas ganz Besonderes ist.«
    Das Mädchen Lorana sagte halblaut: »Es ist ein schwarzes Einhorn, Vercin. Es sieht dich an.«
    »Ich fühle es. Wollt ihr einen Imbiss mit uns nehmen? Es ist spät nach Mittag«, fragte der Alte. Er schien auf gutartige Weise ein wenig wirr im Kopf zu sein, aber seine Fähigkeit, irgendwie auf Tiere zu wirken, war offenbar geworden.
    »Ja, gern!« antwortete Buruna und warf Lorana einen Blick voller Eifersucht zu.
    »Dann lasst eure Tiere hier und kommt mit uns!«
    Trotz der fast unheimlichen Geräusche, die aus dem unteren Teil der Mühlenarche kamen, blieben die drei Pferde und Pandor ruhig. Vercin drängte sich zwischen sie, murmelte beschwichtigend und streichelte ihr Fell. Pandor ließ es sich gefallen, als der Alte immer wieder über das Horn strich und rätselhafte Bemerkungen machte. Die Reiter hoben die Packtaschen von den Sätteln und folgten Lorana und Vercin, der sich an der Schulter des Mädchens festhielt und führen ließ.
    »Meine Mühlen drehen sich so lange, wie die Lichtwelt besteht!« sagte Vercin

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