Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Titel: Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Dobelli
Vom Netzwerk:
festgestellt: Wir sind Marionetten unserer Gefühle. Gäbe es die Affektheuristik nicht, müssten unsere Einschätzungen von Risiken und Nutzen voneinander unabhängig sein.
    Noch eindrücklicher: Angenommen, Sie besitzen eine Harley-Davidson. Erfahren Sie, zum Beispiel aus einer Studie, dass die Risiken doch größer sind als ursprünglich angenommen, werden Sie unbewusst auch Ihre Einschätzung der Vorteile anpassen – »ein noch größeres Gefühl von Freiheit«.
    Wie aber entsteht ein Affekt, diese erste spontane Gefühlsregung? Forscher der Universität Michigan ließen für weniger als eine Hundertstelsekunde eines von drei Bildern aufleuchten – ein lächelndes Gesicht, ein böses Gesicht und eine neutrale Figur. Anschließend mussten die Versuchspersonen angeben, ob sie ein chinesisches Schriftzeichen mochten oder nicht. Die meisten zogen jene Zeichen vor, die nach dem lächelnden Gesicht gezeigt wurden.
    Scheinbar unbedeutende Dinge prägen also unsere Affekte – bis hin zu diesem seltsamen Gemisch, das wir Börsenstimmung nennen. Die Forscher Hirshleifer und Shumway haben die Beziehung zwischen der morgendlichen Sonnenscheindauer und der täglichen Börsenentwicklung von 26 großen Börsen zwischen 1982 und 1997 betrachtet und eine Korrelation festgestellt, die sich wie eine Bauernregel liest: Scheint die Sonne am Morgen, steigt tagsüber die Börse. Natürlich nicht immer, aber tendenziell. Der morgendliche Sonnenschein wirkt offenbar wie ein Smiley.
    Fazit: Sie treffen komplexe Entscheidungen, indem Sie Ihr Gefühl konsultieren. Sie substituieren die Frage »Was denke ich darüber?« mit der Frage »Wie fühle ich mich dabei?«. Natürlich würden Sie das spontan nie zugeben.



WARUM SIE IHR EIGENER KETZER SEIN SOLLTEN
    Introspection Illusion
    Bruno ist Produzent von Vitamintabletten. Sein Vater hatte den Betrieb gegründet, als Vitamine noch kein Lifestyleprodukt waren, sondern ein vom Arzt verschriebenes Medikament. Als Bruno den Betrieb Anfang der 90er-Jahre übernahm, schnellte die Nachfrage nach Vitaminen und Nahrungszusätzen hoch. Bruno nutzte die Gunst der Stunde. Er verschuldete sich bis ans Limit und baute die Produktion aus. Heute zählt er zu den erfolgreichsten Anbietern und ist Präsident des europäischen Vitaminproduzentenverbandes. Seit seiner Kindheit vergeht kein Tag, an dem er nicht mindestens drei Multivitamintabletten schluckt. Von einem Journalisten gefragt, ob Vitamine der Gesundheit förderlich seien, antwortete er: »Davon bin ich zutiefst überzeugt.« Frage: Glauben Sie ihm?
    Und gleich noch eine andere Frage an Sie. Nehmen Sie irgendeine Idee, von der Sie felsenfest überzeugt sind: vielleicht, dass der Goldpreis in den nächsten fünf Jahren steigen wird. Vielleicht die Überzeugung, dass Gott existiert. Was auch immer Ihre Überzeugung sein mag, schreiben Sie sie in einem Satz nieder. Frage: Glauben Sie sich?
    Und? Sie stufen Ihre Überzeugung als stichhaltiger ein als jene von Bruno, stimmt’s? Die Erklärung: In Ihrem Fall handelt es sich um eine nach innen gerichtete Beobachtung, bei Bruno um eine externe. Salopp ausgedrückt: Sie können in Ihre eigene Seele blicken, aber nicht in die von Bruno.
    In Brunos Fall mögen Sie denken: »Seine Interessenlage verführt ihn, zu glauben, dass Vitamine nützlich sind. Schließlich hängen sein Wohlstand und sein sozialer Status vom Erfolg seiner Firma ab. Er hat eine Familientradition aufrechtzuerhalten. Und – er hat sein Leben lang Tabletten geschluckt, also wird er niemals zugeben können, dass das alles für die Katz war.« Bei Ihnen hingegen liegt der Fall anders. Sie befragen direkt Ihr Inneres. Selbstverständlich völlig unbefangen, wie Sie glauben.
    Doch wie rein und ehrlich ist der Blick nach innen? Der schwedische Psychologe Petter Johannson präsentierte seinen Versuchspersonen ganz kurz zwei Porträtfotos. Sie mussten angeben, welches Gesicht sie attraktiver fanden. Anschließend zeigte er ihnen das »ausgewählte« Foto von Nahem, und bat sie, zu erklären, warum sie gerade dieses Gesicht attraktiver fanden. Mit einem Handtrick vertauschte er im letzten Moment die Bilder. Die meisten Probanden bemerkten den Wechsel nicht und begründeten im Detail, warum ihnen das (falsche) Bild besser gefiel. Das Ergebnis der Studie: Introspektion ist nicht zuverlässig. Wenn wir in unsere Seele schauen, konstruieren wir etwas.
    Der Glaube, dass man bei der Selbstbefragung auf so etwas wie Wahrheit oder Richtigkeit stößt,

Weitere Kostenlose Bücher