Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)
einem auf drei Punkte. Kein Effekt. Die Spieler verschwendeten weiterhin ihr Guthaben, um sich alle Optionen offenzuhalten. Selbst als man den Spielern verriet, welcher Raum exakt wie viele Punkte gab, veränderten die Spieler ihr Verhalten nicht. Sie konnten den Gedanken nicht aushalten, Optionen zu verlieren.
Warum handeln wir derart blödsinnig? Weil der Nachteil, der uns daraus erwächst, nicht offensichtlich ist. In der Finanzwelt ist die Sache klar: Eine Option auf ein Wertpapier kostet immer etwas. Auf allen anderen Gebieten haben Optionen zwar auch ihren Preis, aber er ist versteckt: Jede Option zieht mentale Energie ab und verbraucht wertvolle Denk- und Lebenszeit. Der CEO, der jede erdenkliche Expansionsmöglichkeit prüft, verfolgt am Schluss gar keine. Die Unternehmung, die alle Kundensegmente ansprechen will, spricht bald überhaupt keine mehr an. Der Verkäufer, der jedem Lead nachspringt, steht am Ende ohne Kunden da.
Fazit: Wir sind davon besessen, auf möglichst vielen Hochzeiten zu tanzen, nichts auszuschließen und für alles offen zu sein. Erfolg bringt uns das nicht. Wir müssen lernen, Türen zu schließen. Legen Sie sich dazu eine Lebensstrategie zu – analog zu einer Firmenstrategie, die ja nichts anderes ist als eine bewusste Entscheidung, gewisse Möglichkeiten außer Acht zu lassen. »I dwell in Possibility« (»Ich wohne in der Möglichkeit«) lautet ein schönes Gedicht von Emily Dickinson aus dem 19. Jahrhundert. Schön, aber nicht gewinnbringend. Dichter(innen) waren schon damals keine guten Strategen.
WARUM WIR GUTES GEGEN NEUES EINTAUSCHEN
Neomanie
Wie sieht die Welt in 50 Jahren aus? Wie wird Ihr Alltag funktionieren? Mit welchen Gegenständen werden Sie sich umgeben? Menschen, die sich diese Frage vor 50 Jahren stellten, hatten abstruse Vorstellungen von dem, was heute unsere Gegenwart ist: Der Himmel wimmelt von fliegenden Autos. Städte gleichen Kristallwelten – zwischen den gläsernen Wolkenkratzern schlängeln sich Magnetbahnen wie Spaghetti. Wir wohnen in Schlafzellen aus Plastik, arbeiten in Unterwasserstädten, verbringen die Sommerferien auf dem Mond und ernähren uns von Pillen. Wir zeugen keine Kinder, sondern wählen sie aus einem Katalog. Unsere besten Freunde sind Roboter, der Tod ist tot, und unser Fahrrad haben wir natürlich längst gegen ein Jet-Pack eingetauscht.
Schauen Sie sich um. Sie sitzen auf einem Stuhl – einer Erfindung aus der Zeit der ägyptischen Pharaonen. Sie tragen Hosen, erfunden vor über 5.000 Jahren, von den Germanen adaptiert um 750 v. Chr. Die Idee für Ihre Lederschuhe stammt aus der letzten Eiszeit. Ihr Büchergestell (vermutlich Typ »Billy« von IKEA) ist nicht aus Plastik, sondern aus Holz, dem ältesten Baumaterial der Welt. Sie lesen diesen Text auf gedrucktem Papier und womöglich mit einer Brille – wie schon Ihr Urgroßvater. Zum Essen setzen Sie sich – ebenfalls wie er – an einen wahrscheinlich ebenfalls hölzernen Tisch und führen sich mit einer Gabel (eine seit den Römern bekannte »Killer App«) Stücke von toten Tieren und Pflanzen in den Mund. Alles wie gehabt.
Wie aber wird die Welt in 50 Jahren aussehen? Der Philosoph Nassim Taleb gibt in seinem neuesten Buch Antifragile (erscheint Anfang 2013) einen Hinweis: Gehen Sie davon aus, dass die meisten Technologien, die es seit mindesten 50 Jahren gibt, auch weitere 50 Jahre Bestand haben. Und rechnen Sie damit, dass Technologien, die es erst seit wenigen Jahren gibt, in wenigen Jahren passé sein werden. Warum? Betrachten Sie Technologien wie Tierarten: Was sich über Jahrhunderte gegen den Innovationssturm behauptet hat, wird sich wohl auch in Zukunft behaupten. Das Alte bewährt sich, es wohnt ihm eine Logik inne – auch wenn wir sie nicht immer verstehen. Wenn etwas Jahrhunderte überdauert, dann muss etwas dran sein.
Jede Gesellschaft, die sich ihre Zukunft vorstellt, legt viel zu viel Gewicht auf die momentan heißesten Erfindungen, die aktuellen »Killer Apps«. Und jede Gesellschaft unterschätzt die Rolle der althergebrachten Technologien. Die 60er-Jahre gehörten der Raumfahrt, also malten wir uns Schulklassenfahrten auf den Mars aus. In den 70er-Jahren war Plastik angesagt. Also, dachten wir, würden wir in Zukunft in Plastikhäusern leben. Wir überschätzen systematisch die Rolle des Neuen. Taleb führt das auf den Denkfehler Neomanie zurück – die »Manie für das Neue«. Doch der neueste Schrei wird schneller verhallen, als wir denken. Nehmen
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