Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)
»Recherchieren ist so viel angenehmer als Schreiben.« In der Tat surft er stundenlang im Web oder sitzt versunken über den abstrusesten Büchern – in der Hoffnung, auf eine grandiose verschollene Geschichte zu stoßen. Wenn er dann eine passende Szene gefunden hat, überzeugt er sich, es bringe nichts, zu schreiben, solange sich nicht »die richtige Stimmung« einstelle. Leider tut sie das nur selten.
Ein anderer Freund nimmt sich seit zehn Jahren täglich vor, mit dem Rauchen aufzuhören. Jede Zigarette ist seine letzte. Und ich? Meine Steuererklärung liegt seit sechs Monaten auf dem Schreibtisch – offenbar in der Hoffnung, sie würde sich von selbst ausfüllen.
Prokrastination oder Handlungsaufschub nennt die Wissenschaft die Tendenz, unangenehme, aber wichtige Handlungen zu verschleppen: den Kreuzgang ins Fitnesscenter, den Wechsel zu einer kostengünstigeren Versicherung, das Schreiben von Dankeskarten. Daran ändern auch die Neujahrsvorsätze nichts.
Prokrastination ist irrational, denn das Vorhaben erledigt sich ja nicht von selbst. Es ist auch nicht so, dass wir nicht wüssten, was gut für uns ist. Warum schieben wir trotzdem immer wieder wichtige Dinge auf die lange Bank? Weil zwischen Aufwand und Ertrag eine zeitliche Kluft liegt. Diese zu überbrücken erfordert ein hohes Maß an mentaler Kraft, wie der Psychologe Roy Baumeister in einem cleveren Experiment demonstriert hat. Er setzte Studenten vor einen Ofen, in dem Schokoladenkekse vor sich hin dufteten. Er stellte eine Schüssel gefüllt mit Radieschen vor den Ofen und sagte den Studenten, sie dürften so viele Radieschen essen, wie sie möchten – aber die Kekse seien strikte verboten. Dann ließ er sie 30 Minuten allein. Die Studenten einer zweiten Versuchsgruppe durften so viele Kekse essen, wie sie wollten. Beide Gruppen mussten anschließend eine anspruchsvolle Mathematikaufgabe lösen. Die Studenten, denen es verboten war, die Kekse zu essen, gaben bei der Mathematikaufgabe doppelt so schnell auf wie jene, die nach Belieben drauflosfuttern durften. Ihre Selbstkontrolle hatte sie mentale Energie gekostet, Willenskraft, die ihnen nun zum Lösen der Aufgabe fehlte. Willenskraft funktioniert wie eine Batterie – zumindest kurzfristig. Ist die Energie aufgebraucht, fehlt sie für zukünftige Herausforderungen.
Das ist eine fundamentale Erkenntnis. Selbstkontrolle ist nicht rund um die Uhr aufrechtzuerhalten. Es braucht Phasen, in denen man sich entspannt, sich treiben lässt und die Batterie wieder auflädt. Das ist das eine.
Die zweite notwendige Bedingung, um der Prokrastination zu entgehen, sind Tricks, die uns daran hindern, dass wir uns rund um die Uhr treiben lassen. Dazu gehört das Eliminieren von Ablenkungen. Wenn ich einen Roman schreibe, schalte ich meinen Internetzugang aus. Zu groß ist die Verführung, ein bisschen zu surfen, wenn die Arbeit anstrengend wird. Der wichtigste Trick sind Termine. Der Psychologe Dan Ariely hat festgestellt, dass extern gesetzte Fristen – zum Beispiel Abgabetermine, die ein Lehrer oder die Steuerbehörde vorgibt – am besten funktionieren. Selbst gesetzte Termine funktionieren nur, wenn die Aufgabe in klare Teilschritte zerlegt wird – mit jeweils eigenen Terminen. Neujahrsvorsätze ohne klare Teilziele sind zum Scheitern verurteilt.
Fazit: Prokrastination ist irrational, aber menschlich. Um gegen sie anzukämpfen, wenden Sie eine Kombination aus Tricks an. So schrieb meine Nachbarin ihre Doktorarbeit in drei Monaten: Sie mietete sich ein winziges Zimmer ohne Telefon und Internetanschluss. Sie setzte sich drei Termine – für die drei Teile ihres Buches. Sie erzählte jedem, der zuhören wollte, von ihren selbst definierten Zielen, ja sie druckte sie sogar auf die Rückseite ihrer Visitenkarten. Damit transformierte sie die persönlichen Schlusstermine in öffentliche. Über Mittag und an den Abenden lud sie ihre »Batterien« auf, indem sie Modehefte durchblätterte und viel schlief.
WARUM SIE IHR EIGENES KÖNIGREICH BRAUCHEN
Neid
Drei Szenarien – welches würde Sie am meisten nerven? A) Das Durchschnittseinkommen Ihrer Freunde steigt, nur Ihres bleibt gleich. B) Das Durchschnittseinkommen Ihrer Freunde bleibt gleich, nur Ihres sinkt. C) Das Durchschnittseinkommen Ihrer Freunde sinkt, und auch Ihres sinkt. Haben Sie Antwort A) gewählt? Keine Angst, Sie sind keineswegs abnormal – nur ein ganz gewöhnlicher Neider.
Eine russische Geschichte: Ein Bauer findet eine magische Lampe.
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