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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Nestor erklärte mir sehr höflich, Don Genaro habe ihnen gesagt, daß er, wenn es Zeit wäre, ihr Tal zu verlassen, es sie durch eine Kopfbewegung wissen lassen würde. Die anderen beruhigten sich erst, als ich sagte, wenn ihr Schicksal durch dieses Ereignis besiegelt wäre, dann wäre es meines genauso; wir alle würden nach Norden gehen.
    Dann führte Nestor uns zu einer Unterkunft, einer Pension, wo er abstieg, wenn er in der Stadt zu tun hatte. Ihre Laune war gut, tatsächlich allzu gut für meinen Geschmack. Sogar Lydia umarmte mich und entschuldigte sich dafür, daß sie so schwierig sei. Sie habe la Gorda Glauben geschenkt, erklärte sie, und daher habe sie sich nicht darum bemüht, ihre Bindungen wirklich abzuschneiden. Josefina und Rosa waren überschwänglich und klopften mir immer wieder den Rücken. Ich wollte mit la Gorda sprechen. Ich mußte unsere weiteren Schritte mit ihr besprechen. Aber an diesem Abend fand sich keine Möglichkeit, mit ihr allein zu sein.
    Nestor, Pablito und Benigno gingen frühmorgens fort, um Besorgungen zu machen. Auch Lydia, Rosa und Josefina gingen einkaufen. La Gorda bat mich, ich solle ihr behilflich sein, ihre neuen Kleider zu kaufen. Sie wollte, daß ich ein Kleid für sie aussuche, und zwar das eine, vollkommene, das ihr das Selbstvertrauen geben sollte, das sie benötigte, um eine bewegliche Kriegerin zu sein. Ich fand für sie nicht nur ein Kleid, sondern eine ganze Garderobe samt Schuhen, Nylons und Wäsche.
    Ich begleitete sie auf einen Spaziergang. Wie Touristen zogen wir kreuz und quer durch die Innenstadt und starrten die Indianer in ihren regionalen Trachten an. Als formlose Kriegerin fühlte sie sich in ihrer neuen Garderobe bereits vollkommen wohl. Sie sah hinreißend aus. Es war, als hätte sie sich nie anders gekleidet. Ich war es, der sich nicht daran gewöhnen konnte.
    Die Fragen, die ich la Gorda stellen wollte und die eigentlich nur so aus mir hätten hervorsprudeln sollen, ließen sich nicht formulieren. Ich hatte keine Ahnung, was ich sie fragen sollte. Ich erzählte ihr allen Ernstes, daß ihre neue Erscheinung mir zu schaffen machte. Sie stellte ganz nüchtern fest, das Überschreiten der Grenzen mache mir zu schaffen.
    »Gestern abend haben wir einige Grenzen überschritten«, sagte sie. »Soledad hat mir gesagt, was wir zu erwarten haben, darum war ich vorbereitet. Du aber warst es nicht.«
    Leise und langsam erklärte sie mir, wir hätten am Vorabend einige Grenzen der Liebe überschritten. Sie betonte dabei jede Silbe, als spräche sie mit einem Kind oder einem Ausländer. Ich konnte mich nicht konzentrieren. Wir kehrten in unsere Unterkunft zurück. Ich brauchte ein wenig Ruhe, aber schließlich mußte ich doch wieder ausgehen. Lydia, Rosa und Josefina wünschten sich nämlich ähnliche Kleider wie la Gorda, hatten aber nichts finden können.
    Am frühen Nachmittag war ich wieder in der Pension zurück und durfte die Schwesterchen bewundern. Rosa konnte nur mit Mühe auf ihren hochhackigen Schuhen laufen. Wir witzelten gerade über ihre Füße, als die Tür langsam aufging und Nestor einen dramatischen Auftritt gab.
    Er trug einen dunkelblauen Schneideranzug, ein hellrosa Hemd und eine schwarze Krawatte.
    Sein Haar war ordentlich gekämmt, es bauschte sich, als ob es geföhnt wäre. Er sah die Frauen an, und die Frauen sahen ihn an. Dann kam Pablito herein, gefolgt von Benigno. Beide strahlten. Pablito trug einen blaßgrünen Anzug aus leichtem Popeline, und Benigno trug ein sehr elegantes braunes Sportsakko aus Tweed und dunkelbraune Hosen. Ihre Schuhe waren nagelneu, und ihre Anzüge wirkten wie maßgeschneidert.
    Ich konnte es nicht fassen, wie gut sie sich alle an ihre Stadtkleidung angepaßt hatten. Sie erinnerten mich so sehr an Don Juan. Als ich die drei Genaros nun in Stadtkleidung vor mir sah, war ich ähnlich erschüttert wie damals, als ich Don Juan in einem Anzug gesehen hatte, und doch konnte ich ihre Verwandlung sofort akzeptieren. An die Verwandlung der Frauen, die mich weniger überraschte, konnte ich mich dagegen aus irgendeinem Grund nicht gewöhnen.
    Die Genaros, so dachte ich, mußten wohl eine zauberhafte Glückssträhne gehabt haben, um so perfekte Gewänder aufzutreiben. Sie lachten, als sie mich von ihrem Glück schwärmen hörten.
    Nestor erzählte, daß ein Schneider schon vor Monaten ihre Anzüge angefertigt habe.
    »Wir haben jeder noch einen zweiten Anzug«, sagte er zu mir.
    »Wir haben sogar Lederkoffer. Wir

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