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Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)

Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)

Titel: Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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Gesichtsausdruck zu machen, und ließ Qazai weitererzählen.
    Im Sommer 1979 hatten Vater und Sohn zum ersten Mal den Plan für eine Bank in London entworfen. Qazai war damals achtundzwanzig und hing ein wenig durch; er war zwar nicht faul, aber er brauchte Orientierung. Fünf Jahre zuvor hatte er in Paris an der Sorbonne recht erfolgreich Philosophie und Ökonomie studiert, doch sein Herz – nein, seine Seele – gehörte der Kunst. Mit zwölf Jahren, als er noch kindlichen Vorstellungen von Romantik und Abenteuer nachhing, hatte er einen Roman von Stevenson gelesen, in dem ziemlich genau geschildert wurde, wie er sich sein Leben vorstellte. Der Sohn eines verknöcherten, konservativen, reichen Amerikaners geht nach Paris, um Bildhauer zu werden, bevor er von einem leidenschaftlichen Freund dazu gebracht wird, nach einem Schatz in einem Schiffswrack mitten im Pazifik zu suchen. So ein Leben musste man führen, hatte der junge Qazai gedacht, und in gewisser Weise – obwohl er es bisher nicht so gesehen hatte –, hatte sein Lebensweg seitdem eine ähnliche Richtung genommen.
    Tatsächlich entsprach sein künstlerisches Talent etwa dem von Stevensons Helden, und als die Revolution ausbrach – das heißt, als die wohlhabenden Iraner einige Monate vorher das Land verließen –, war er von Paris für drei Jahre nach Teheran zurückgekehrt und ging verschiedenen Tätigkeiten nach, aber vor allem verwandte er seine Energie darauf, die Gründung einer Firma vorzubereiten (und zu verschieben), die persische Kunst nach London und New York exportierte. Kurz gesagt, das Leben damals war allzu unbeschwert. Allzu bequem.
    Das Exil nicht. Nachdem sie gezwungen waren, den Iran zu verlassen, sah er, wie aus seinem Vater ein ängstlicher Mensch wurde, anfällig für irrationale Zukunftsängste, besorgt um seine Reputation und seinen Einfluss in der neuen Stadt, und auch wenn er nicht gerade feindselig war, so verhielt er sich zunehmend unfreundlich. Das, mehr als das Exil selbst, hatte Qazai dazu gebracht, sich zu ändern: Er verspürte das dringende Bedürfnis, sich vom Leben und seinen möglichen Schicksalsschlägen nicht auf diese Weise unterkriegen zu lassen. Geld, das wurde ihm klar, war der Schlüssel zu Furchtlosigkeit, und so hatte er seinen Vater mit seiner Begeisterung für die Idee verblüfft, zusammen eine Firma zu gründen. Später sollte er ihn mit seinem Talent für Investitionen verblüffen, was, wie sich herausstellte, seine wahre Begabung war, doch für eine Weile hatten sie eine simple Aufgabe, nämlich Gelder aufzutreiben. Sechs eintönige Monate lang bestand ihr Leben aus nichts weiter als aus Meetings, die immer gleich verliefen: Sie erklärten ihre Geschäftsidee, beantworteten Fragen und wurden mit verschiedensten Nuancen von Höflichkeit verabschiedet.
    Nach einer Weile fragte sich Qazai, ob es der Beruf seines Vaters und nicht sein Charakter war, der zu seinem Zusammenbruch geführt hatte. Die Finanzwelt war anders als die Kunstwelt. Dort ging es knallhart zur Sache. Entweder man hatte Geld, oder man hatte keins; entweder man verdiente Geld, oder man verdiente keins. Und verdiente man keins, war man ein Nichts. Ein schlechter Bildhauer bleibt zwar auf seinen Skulpturen sitzen, hält sie vielleicht aber trotzdem für gut, aber ein Banker, der kein Geld auftreiben kann, hat gar nichts, und allmählich begriff Qazai, welcher extremen Atmosphäre der Ausgrenzung sein Vater seit dem Weggang aus dem Iran ausgesetzt gewesen war.
    Als sein Vater ihm also erzählte – irgendwann im April 1980 –, dass er eine kleinere Summe Geld aufgetrieben hatte, war ihm das wie eine Erlösung vorgekommen, und er wusste noch, wie er sich fragte, warum er offensichtlich der Einzige war, der erleichtert reagierte. Sie verfügten über fünfzehn Millionen Pfund, die sie investieren konnten, von einem einzigen Investor, dessen Name nie genannt wurde; zehn Millionen sollten sie konservativ anlegen, beim Rest konnten sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen, ein Gut, von dem Qazai mehr besaß als sein Vater. Entsprechend teilten sie es auf, und Qazai tätigte seine erste richtige Investition: in ein Wohnhaus in Swiss Cottage. Innerhalb eines Jahres erzielte er eine Rendite von dreißig Prozent, und seine anderen Entscheidungen zeigten ebenfalls Erfolg. Langsam wurde ihm klar, dass er ein Naturtalent war. Er hatte ein Auge für Werte. Er brauchte bloß einen Blick auf eine Reihe komplizierter, unzusammenhängender Fakten zu werfen und

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