Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
zusammenzureißen.
»In dem Punkt haben Sie sich ebenfalls geirrt.« Er hielt inne. »Was werden Sie ihr erzählen?«
Qazai schloss die Augen, schüttelte den Kopf. Keine Frage, der Gedanke beunruhigte ihn – das hatte Webster gehofft.
»Sie wird es nicht erfahren.« Er blickte Webster in die Augen. »Sie wird es nicht erfahren.«
»Oh, da wäre ich mir nicht so sicher. Wenn Sie ihr erzählen, was Sie mir erzählt haben, dann schluckt sie es vielleicht. Ich würde nur nicht erwähnen, wie viel von dem Geld in Waffen investiert wurde. Wie viel davon für Raketenwerfer ausgegeben wurde, die in den Händen von Terroristen gelandet sind. Oder wie viele Morde an Ihren oppositionellen Freunden im Laufe der Jahre davon bezahlt wurden. Wenn Sie das alles für sich behalten, dann kommen Sie vielleicht damit durch. Bis ihr dämmert, dass Sie für den Tod ihres Bruders verantwortlich sind.«
Qazais Augen funkelten voller Schmerz und Verachtung, und einen Moment lang sagte er nichts.
»Ich hätte Sie in der Zelle lassen sollen.«
»Sie müssen mich nicht mögen. Aber ich muss wissen, wie Sie ticken. Uns bleibt eine Woche. Sie verkaufen Tabriz. Und geben den Iranern ihr Geld. Wenn Sie das tun, erzähle ich niemandem, wer Sie wirklich sind. Nicht mal Ava. Obwohl ich mich mies dabei fühle. Und ich werde mir was einfallen lassen, um die Leute davon abzuhalten, uns hinterher zu töten.«
Für einen Augenblick schwieg Qazai; sein Körper entspannte sich, und er lehnte sich zurück in seinen Sitz. Er betrachtete seine Hand und zog an seinen Fingern, bis die Knöchel knackten, dann nickte er fast unmerklich.
»Wie sieht Ihr Plan aus?«
»Ich habe noch keinen«, sagte Webster.
23
Es war bereits Abend, als Webster in die Iffley Road bog, immer noch mit Youssefs Sachen bekleidet, ramponiert und schmutzig von der langen Reise, körperlich und geistig erschöpft. Alles sah noch so aus, wie er es vor zwei Tagen verlassen hatte. Es waren jetzt nur weniger Autos unterwegs, denn es war Samstag, trotzdem warf er einen Blick ins Innere eines jeden Fahrzeugs, ja, er lief sogar zwanzig Meter an seinem Haus vorbei, um sich zu vergewissern, dass er nicht überwacht wurde. Das hatte er bisher nicht tun müssen, und er fand es zum Kotzen.
Unwillkürlich tastete er seine Taschen nach den Schlüsseln ab, vergeblich, lief den kurzen Gartenweg hinauf, hob den schweren schmiedeeisernen Türklopfer an und versuchte einen Rhythmus zu finden, der positiv, aber nicht fröhlich klang. Im Innern konnte er Stimmen und flinke, schliddernde Schritte hören, und durch die Glasscheibe sah er, wie Nancys Hand nach oben langte und sich alle Mühe gab, das Sicherheitsschloss aufzusperren. Die Tür öffnete sich, und er ging in die Hocke, um sie und Daniel zu begrüßen; der kam so schnell auf ihn zugerannt, dass er Probleme hatte, das Gleichgewicht zu halten. Beide trugen Schlafanzüge. Während er sie fest im Arm hielt, schaute er zu Elsa hoch, die im Türrahmen stand, und versuchte zu lächeln. Sie drehte sich um und ging den langen Flur in die Küche hinunter.
»Daddy«, fragte Nancy, »ist deine Hose geschrumpft?«
Webster schaute an sich herab. Er sah albern aus.
»Ich geh nur mal kurz aufs Klo, Schätzchen. Sag Mama, dass ich in einer Minute unten bin.«
Oben im Badezimmer betrachtete er sich im Spiegel. Er hatte ein blaues Auge, das andere war nur müde, und beide waren blutunterlaufen und wirkten weder zuversichtlich noch besonders ehrlich. Er zog Youssefs schmutziges Hemd aus, begutachtete einen Moment den Bluterguss, der sich an seiner Seite gebildet hatte, wand sich aus der Hose und warf beides in den Wäschekorb, dann nahm er aus der Kommode in seinem Schlafzimmer ein T-Shirt und eine Shorts und zog sie schnell über. In seinen eigenen sauberen Klamotten, seiner Wochenenduniform, vergaß er für einen kurzen Augenblick, wo er gewesen war und was er getan hatte.
Inzwischen hatte Elsa den Abwasch beendet und wischte Krümel vom Tisch.
»Schauen die beiden fern?«, fragte Webster.
»Ja.«
»Tut mir leid, dass ich es nicht zum Abendessen nach Hause geschafft habe.«
Sie hob den Kopf, dann wischte sie weiter. »Wir sind einfach froh, dass du es überhaupt geschafft hast.«
Webster fragte sich, wie er das, was er zu sagen hatte, sagen sollte.
»Hast du schon mit den beiden gegessen?«, fragte er schließlich.
»Ich wusste ja nicht, wann du zurückkommst.«
Der Kühlschrank war ziemlich leer: ein paar Speckscheiben, Kinderjoghurts,
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