Die Kunst des Sterbens: Thriller (German Edition)
Käsereste. Reichlich Butter. Obwohl er seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte, hatte er keinen Appetit.
»Möchtest du einen Drink?«, fragte er.
»Nicht bevor die beiden im Bett sind.«
Er holte sich ein Glas, streckte die Hand nach dem Regalbrett über sich aus und nahm eine Whiskyflasche herunter, und als er in der Seite einen Schmerz spürte, zuckte er zusammen.
»Aber genehmige dir ruhig einen«, sagte Elsa, während er die Flasche entkorkte.
»Es war ein langer Tag.«
Sie sagte nicht gleich etwas, sondern ließ Wasser über den Lappen in ihrer Hand laufen und wrang ihn kräftig aus.
»Ich dachte, der Termin in Marrakesch sei am Wochenende.«
»Heute ist dort Wochenende. Wie bei uns.«
Sie hatte sich jetzt mit verschränkten Armen zu ihm hingewandt. Im grellen Küchenlicht wirkte sie ebenfalls müde.
»Und, ist es gut gelaufen, das Meeting?«
»Es war nicht direkt ein Meeting.«
»Das ist es nie.«
»Ich war dort. Das ist die Wahrheit.«
»Ich weiß, dass du dort warst. Und das ist das Problem. Du reist in der Weltgeschichte herum, und ich habe keine Ahnung, was du so treibst. Oder was andere Leute mit dir anstellen. Die meisten Menschen, die verreisen, sitzen in irgendwelchen Räumen, führen Gespräche und kommen wieder zurück. Sie langweilen sich dabei. Vielleicht betrinken sie sich auch. Vielleicht haben sie Sex. Du nicht. Schau dich nur an. Du siehst beschissen aus. Du bringst deine ganzen Probleme mit nach Hause, Ben. Jeden Tag. Man muss täglich damit rechnen, dass du so hier auftauchst: in den Klamotten eines Fremden, mit einem blauen Auge, und den Kindern Angst einjagst.«
»Sie haben keine Angst.«
»Ach ja? Und wieso will Nancy dann wissen, warum du verletzt bist? Vielleicht ist sie auch nur neugierig. Vielleicht haben sie sich inzwischen daran gewöhnt. Gut so. Ich nicht. Du bist mir fremd geworden. Ich ertrag das nicht mehr. Wenn du anrufst, erzählst du mir nichts. Und du wirst mir auch jetzt nichts erzählen, das weiß ich. Also schön. In Ordnung. Alles, was ich hören will, ist, dass du erledigt hast, was auch immer es war, und dass es jetzt vorbei ist.«
Webster hoffte, dass es sich um den Tiefpunkt ihrer Beziehung handelte. Elsas Blick war voller Zorn, doch was ihm am meisten Angst einjagte, war die Enttäuschung darin, und die Entschlossenheit, die Bestimmtheit. Elsas Entscheidungen waren nicht leicht rückgängig zu machen, und er ahnte – mit einem Gefühl der Panik, wie er es bisher nicht verspürt hatte –, dass sie kurz davor war, eine Entscheidung zu treffen, die sie lange hinausgezögert hatte.
Aber was sollte er ihr sagen? Die Wahrheit wäre kaum hilfreich. Wenn er ihr die Wahrheit sagte, würde sie ihn vielleicht wegen seiner Dummheit verlassen; und wenn er sie für sich behielt, wegen seines mangelnden Vertrauens.
Er trat einen Schritt auf sie zu und wollte die Arme um sie legen. »Es ist fast vorbei.«
»Verdammt.« Sie machte sich los. »Was soll das heißen?« Sie stand, die Hände in den Hüften, etwa einen Meter von ihm entfernt, und er hatte sich in seinem eigenen Haus noch nie so fremd gefühlt. Er nahm seinen Drink von der Arbeitsplatte, ging an ihr vorbei, setzte sich an den Küchentisch und trank; das würzige Aroma des Whisky brannte in der Kehle.
Während er versuchte, ein möglichst aufrichtiges Gesicht zu machen, blickte er ihr in die Augen. »Es war schlimm. Wirklich übel. Aber es ist bald vorbei. In einer Woche. Ich muss nur eine letzte Sache erledigen.«
Er suchte ihr Gesicht nach einer Reaktion ab, doch sie war abgelenkt.
»Mein Gott, Ben, was ist denn das?«, sagte sie und zeigte auf etwas.
»Was?«
»Das da. An deinem Bein.«
Als er nach unten schaute, bemerkte er den etwa fünf Zentimeter langen violett-grauen Bluterguss auf seinem Oberschenkel, direkt über dem Knie.
»Lass mal sehen.«
Mit einem Seufzer zog er das Bein seiner Shorts nach oben.
»Mein Gott. Wer war das?«
»Das war nur ein Kampf.«
Elsa schüttelte den Kopf und ging in die Hocke, um es sich genauer anzusehen.
»Den du verloren hast, nehme ich an.«
Er sagte nichts.
»Das ist alles?«
Webster nickte und nahm erneut einen großen Schluck von dem Whisky.
»Heb dein T-Shirt mal an«, sagte Elsa.
Er zögerte und warf ihr einen finsteren Blick zu.
»Mach schon. Du kannst ja kaum aufrecht stehen.«
Sie lief um den Tisch, während er auf der rechten Seite das T-Shirt anhob.
»Was hat man mit dir gemacht?«
Ihre Augen hellten sich auf, sie waren jetzt
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