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Die Kunst, frei zu sein

Die Kunst, frei zu sein

Titel: Die Kunst, frei zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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und dergleichen. Der Vorwand war, dass schöne Dinge eitel, götzendienerisch und belanglos für die Religion seien, die einfach und unbelastet zu sein habe. Hier wird deutlich, weshalb Künstler und Schriftsteller traditionsgemäß zum Katholizismus neigen, während der Protestantismus die Religion für den ernsten, praktischen Geschäftsmann ist.
    Schönheit und Vielfalt wurden auch zu Opfern der Flurbereinigung, welche die abwechslungsreichen mittelalterlichen Felder und Allmenden durch weite, monotone Flächen für die Schafhaltung ersetzte. Auch die industrielle Revolution ging gegen die Schönheit vor und gab der Nützlichkeit den Vorzug. Gewaltige rauchspeiende Fabriken, betrieben mit fossilen Brennstoffen, verdrängten die Wasser- und Windmühlen, mit denen die Britischen Inseln vorher übersät waren. Ich stelle mir oft vor, wie bezaubernd die Landschaft ausgesehen haben muss, als es überall Windmühlen gab. Wir halten uns für klug, wenn wir von Windenergie reden, aber sie war bereits ein zentraler Teil des Lebens im umweltfreundlichen Mittelalter, als man Kohle, Kernkraft und Strom noch nicht kannte.
    William Morris beschreibt die viktorianische Epoche als wenig attraktiv. In Kunde von Nirgendwo bezeichnet er die Londoner U-Bahn als »Dampfbad«, in dem »verhastete und mürrische Reisegefährten schmorten«, und man könnte meinen, dass sich wenig geändert hat. Morris kritisierte auch die hässlichen Eisenbrücken über die Themse. Als sein Held im postrevolutionären England des Jahres 2005 aufwacht, stellt er fest, dass sämtliche Eisenbrücken abgerissen worden sind. Mehr noch, Schafe ziehen über den Piccadilly Circus, und man hat das Geld abgeschafft. Es ist eine herrliche Fantasterei.
    Maschinen erzeugen Hässlichkeit, menschliche Hände Schönheit. Und der Glaube an die Überlegenheit der Nützlichkeit gegenüber der Schönheit zerstört die Schönheit. Dazu John Seymour, der Kanister und Tontöpfe miteinander vergleicht:
    Früher glaubte ich, ein alter Benzinkanister sei genauso gut zur Beförderung von Wasser geeignet wie ein Tontopf. Eines Tages las ich einen Text des Dichters Tagore, in dem er auf genau diesen Vergleich einging. Er schrieb, es stimme: Ein alter Benzinkanister eigne sich so gut zum Befördern von Wasser wie ein chatti, einer der prächtigen Töpfe, die indische Frauen auf dem Kopf tragen, abgesehen von einem Unterschied: Der Benzinkanister ist gemein. Er ist neidisch. Denn er dient nur einem utilitaristischen Zweck – und das ist alles. Darin lässt sich zwar wie im chatti Wasser tragen, aber ein chatti ist herrlich anzuschauen, fühlt sich herrlich an und ist ein angenehmer Besitz. Wann immer du ihn betrachtest, denkst du an die Liebe und Sorgfalt, mit denen er, durch die Hände eines Menschen, gemacht wurde. Wann immer du den Benzinkanister betrachtest, denkst du an eine riesige, hässliche, klirrende, schmutzige Maschine, die gedankenlos hässliche Objekte ausstößt. Denn kein von einer Maschine gemachter Gegenstand kann schön sein. Schönheit kann Artefakten nur durch die Hände des Handwerkers hinzugefügt werden, und man wird nie eine Maschine bauen, welche die Hände zu ersetzen vermag.
    In der chinesischen Töpferei gibt es anscheinend eine Tradition, jedes Objekt mit einem kleinen Mangel zu versehen, damit es einzigartig ist. Perfektionismus ähnelt dem Tod; die Maschine kann Tausende perfekter Objekte produzieren, doch sie haben kein Leben.
    Was können wir gegen die Verhässlichung der Welt unternehmen? Es gibt eine schlichte Antwort: Meide hässliche Dinge, ignoriere sie und wende dich dem Handwerk zu. Genau darum ging es in der Arts-and-Crafts-Bewegung. Jeder Mann und jede Frau sollten zwei oder drei Fertigkeiten meistern. Ich freue mich auf eine Wiederbelebung des Handwerks. Es stützt sich auf Menschen und Freude; es repräsentiert eine gleichberechtigte Gesellschaft, dazu Qualität und Spaß an der Herstellung. Das Handwerk steht für den Triumph der Qualität über die Quantität, der Selbstregierung über die Ausbeutung. Hole Schönheit in dein Heim – einen Topf Geranien auf die Fensterbank, ein Pelican-Paperback. Schneidere deine Kleidung selbst. Nähe rote Diamanten an deine Ärmel. Wenn du weniger Mühe für die Arbeit und das Ding, das Syndikat, das Konstrukt oder den Chef aufwenden musst, wirst du mehr Zeit für dich selbst und für deine Kreativität haben, mehr Zeit zu produzieren, statt zu konsumieren.
    Kaufe nur schöne Dinge. Stelle nur schöne

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