Die Kunst, gelassen zu erziehen
wirklich leid.«
Als Nächstes sollten wir nach Möglichkeiten suchen, wie wir die Umgebung oder unseren Tagesablauf in einer Weise organisieren können, dass der Stress nicht dazu führt, dass wir unsere Kinder als Last ansehen. Die Stopp-Übung auf der nächsten Seite kann Ihnen dabei helfen, automatische Reaktionsmuster zu unterbrechen. Bei dieser Art von Übung geht es wieder nicht darum, etwas oder sich selbst zu verändern oder sich zu beurteilen. Es geht darum, dass wir uns selbst und unsere Reaktionsweisen kennenlernen, dass wir ein echtes Inte-resse an uns und unserer Art zu reagieren entwickeln.
Interpretation und Einstellung
Manchmal scheint es, als wären wir, oder auch unsere Kinder, in einer Art Zauberbann gefangen. Wir können zu einer bösen Hexe oder einem bedrohlichen Riesen werden, wenn unsere EMOTIONEN mit uns durchgehen. Der erste Schritt, uns aus einem solchen bösen Zauber zu befreien, besteht, wie wir auf den letzten Seiten erfahren haben, darin, erst einmal innezuhalten und nicht automatisch zu reagieren, wie es uns dieser Zustand eingibt.
Auch wenn es am Anfang schwerfällt und sicher nicht immer gelingen wird, können wir lernen, automatische Reaktionen zu
durchbrechen. Denn wir haben es selbst in der Hand, mit welcher inneren Einstellung wir jeder Erfahrung begegnen. Wir neigen zwar dazu, unser Gegenüber
für den Verursacher unserer Wut zu halten. Doch wenn wir achtsam wahrnehmen, was in uns bei einem Wutanfall vorgeht, werden wir immer deutlicher
erkennen, dass wir auf das reagieren, was wir interpretieren, und nicht auf das, was wirklich ist. Unser Kind sagt etwas, das in unsÄrger auslöst. Es hat lediglich einen Satz gesagt. Wir aber interpretieren, dass es uns mit seiner Aussage provozieren möchte. In
Wirklichkeit ist es also unsere Interpretation eines Ereignisses, die in uns Ärger auslöst. Sagt unser Kind etwa: »Ich will jetzt nicht aufräumen«,
glauben wir vielleicht, es will uns mit seiner Weigerung herausfordern, oder es ärgert uns, dass unser Kind nicht das tut, was wir erwarten. Egal was
uns daran ärgert: Es ist UNSER PROBLEM . Das Kind ist nur der Auslöser und nicht die Ursache. Unser Sohn oder unsere Tochter
berührt lediglich etwas in uns, das uns wehtut – und wir regieren so heftig darauf, weil es von jemandem berührt wird, der uns nicht gleichgültig
ist. Denn normalerweise kann uns nur jemand wütend machen, der uns etwas widerspiegelt und der uns etwas bedeutet. Hinzu kommt, dass die INTERPRETATION einerSituation vom momentanen inneren Zustand abhängt: Wenn wir keinen Stress haben, fühlen wir
uns viel weniger schnell provoziert und können die Tatsache, dass etwas nicht nach unseren Vorstellungen läuft, weitaus besser verkraften. Sind wir also
ausgeglichen und zufrieden, geht es auch unserem Kind gut.
ÜBUNG
Rechtzeitig » Stopp « sagen
Experimentieren Sie in Stresssituationen ein wenig, und probieren Sie aus, ob es möglich ist, einen Moment innezuhalten.
Sie könnten sich einfach innerlich »Stopp« sagen und vielleicht zur Bekräftigung eine entsprechende Handbewegung machen. Dann könnten Sie zwei- oder dreimal langsam tief ein- und ausatmen und Ihre Aufmerksamkeit nach innen auf Ihren Zustand richten – ohne diesen zu beurteilen oder ändern zu wollen.
Als Nächstes könnten Sie sich fragen, was eigentlich los ist:
Welches Bedürfnis in Ihnen ist gerade unbefriedigt?
Was bräuchten Sie jetzt?
Wer könnte Ihnen das geben?
Mit der Zeit entsteht durch die Übung ein innerer Raum, in dem sich die Möglichkeit ergibt, die Situation mit anderen
Augen zu sehen. So können Sie zu einer besseren Art und Weise finden, auf sie zu antworten.
Konfliktursachen erforschen
Die Frage ist entsprechend: Wie kommen wir (wieder) ins Gleichgewicht, damit es uns (wieder) besser geht? Sinnvoll ist es, Konfliktsituationen hinterher noch einmal genau zu betrachten. Vielleicht entdecken wir MUSTER IM ABLAUF , vielleicht erkennen wir Auslöser, die in uns liegen, alte Erlebnisse und Emotionen, die durch unser Kind neu geweckt werden – manchmal sehen wir eine Eigenschaft bei unserem Nachwuchs, die wir an uns selbst ablehnen, weil wir deshalb schon von den eigenen Eltern niedergemacht wurden, und nun akzeptieren wir sie automatisch auch bei unserem Kind nicht. Bei all diesen Überlegungen kann uns die folgende Übung einige wertvolle Anregungen geben.
In den seltensten Fällen erkennen wir, dass die Wurzel eines Konfliktes nicht ein »schwieriges« Kind ist, dem man
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