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Die Kunstjaegerin

Die Kunstjaegerin

Titel: Die Kunstjaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elis Fischer
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vielen Jahren entlanggeschlendert war. Vorbei an Dutzenden winzigen Antiquitätengeschäften, in denen ein Restaurator neben dem anderen gearbeitet hatte. Aus den Fenstern und Türen war ein wunderbarer Geruch nach altem Holz geströmt, und Fragmente beschädigter Heiligenfiguren waren in den kleinen Räumen wie auf Seziertischen der Geschichte aufgereiht gelegen. Damit könnte sie auch Wenz die letzte Ehre erweisen. Wann war eigentlich sein Begräbnis? War er noch in der Gerichtsmedizin? Sie musste sich nach ihrer Rückkehr gleich bei Marie erkundigen.
    »Wisst ihr was? Ich mache einen Spaziergang.«
    Unvermittelt sprang Theresa auf. Alle starrten sie an, doch bevor sie etwas sagen konnten, hatte sie ihre Tasche umgehängt und verabschiedete sich: »Seid mir nicht böse, ich brauch das jetzt. Ich muss ein bisschen meine Jugend suchen. Wir treffen uns in zwei Stunden im Hotel, dann ist noch genug Zeit, uns fürs Dinner chic zu machen, oder?«
    Sehr gut, endlich tat sich was. Sie ging alleine los? Noch besser. Er brauchte ihr lediglich unauffällig zu folgen. Sie musste etwas wissen, wieso sollte sie sonst mit ihren Freunden nach Florenz geflogen sein!
    Wo und wie sie wohl auf das Geheimnis gestoßen war? Er hatte mit niemandem über die Briefe gesprochen, wie könnte sie also davon erfahren haben? Vielleicht hatte ihr Vater den Namen entdeckt und sie hatte schließlich die richtigen Schlüsse gezogen.
    Er würde es bald wissen, wenn sie ihn ans Ziel geführt hatte.
    Theresa bahnte sich den Weg zur Kathedrale Santa Maria del Fiore, wo sie die bronzene Paradiesestür von Lorenzo Ghiberti am Baptisterium bewunderte, ließ sich mit dem Menschenstrom weitertreiben, über die Ponte Vecchio, bis sie vor dem Palazzo Pitti stand. Ihre Gasse fand sie jedoch nicht. Und langsam wurde sie der Touristenmassen überdrüssig.
    Auf der Suche nach Abgeschiedenheit entdeckte sie am Ende der Boboli Gärten einen Weg, der zum Forte di Belvedere führen mussten. Hier war sie doch schon einmal gewesen! Lächelnd folgte sie der menschenleeren Gasse, die steil bergauf verlief. Auf einer Anhöhe erblickte sie die vertrauten Ruinen und Rasenflächen, die ein paar Italiener nutzten, um die letzten Sonnenstrahlen vor einem langen Winter einzufangen. Theresa lehnte sich an die Mauer, die das Belvedere umgab, spürte die Kälte der Steine und den leichten Wind, der die Wärme vertrieb. Florenz lag zu ihren Füßen. Die majestätische Domkuppel Brunelleschis erhob sich aus dem Häusermeer, flankiert vom Campanile. Westlich erhob sich die Kirche San Lorenzo, östlich die Basilika Santa Croce, und mittendrin glitzerte das grüne Band des Arnos. Genau hier war sie vor 15 Jahren auch gestanden. Wie schnell die Zeit verging!
    Seufzend trat sie den Rückweg an, um wieder ins Jetzt zurückzukehren. Nachdem sie einige Zeit dahingeschlendert war, bemerkte sie, dass sie die falsche Richtung eingeschlagen hatte, denn sie fand sich auf einem anderen Hügel der Stadt wieder.
    Irrwege konnten auch ans Ziel führen, selbst wenn man das Ziel vorher nicht kannte, dachte sie, als sie vor der verträumtesten romanischen Kirche stand, die sie jemals gesehen hatte. Lautlos betrat sie die Basilika San Miniato al Monte. Im Presbyterium, dem hinteren Altarraum, versammelten sich gerade ein Dutzend Mönche. Nach einer Minute leisen Raschelns begannen sie zu singen, und Theresa fühlte sich sogleich in ein anderes Jahrhundert versetzt. Glockenhelle Töne durchdrangen das Kirchenschiff.
    Theresa stellte sich vor, dass sie wie Federn in die Höhe zu Ihm schwebten. Verzaubert setzte sie sich in eine der Holzbänke und lauschte – fern von Zeit und Raum und doch im Hier und Jetzt. Sie schaffte es, alle Gedanken auszublenden – Yoga in seiner höchsten Form. Plötzlich einsetzende Stille riss sie aus ihrer Versunkenheit.
    Die Chorprobe war zu Ende und die Mönche verließen die Kirche.
    Auch sie musste sich nun sputen.
    Nach einem halbstündigen Marsch erreichte sie das brodelnde Zentrum von Florenz und stand vor der Basilika Santa Croce. Da sie schon mehr als zwei Stunden unterwegs war, wollte sie eigentlich zügig weitergehen, doch irgendetwas hielt sie zurück.
    Sie folgte ihrer inneren Stimme und betrat die Kirche. Langsam schlenderte sie durch das Gotteshaus und stand mit einem Mal vor Galileos Grabmal. Er hatte sie also hereingezogen!
    »Ich hatte ein Bild, für das du Modell gesessen bist«, flüsterte sie ins Dunkel. Der Gedanke, dasselbe Gemälde in Händen gehalten

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