Die Kurtisane des Teufels
Blick in die Schreibstube.
»Ich versichere Euch, Madam, dass meine Abrechnungen korrekt sind«, verteidigte sich der Buchhalter. Kitty entging jedoch nicht, dass auf seinen krankhaft bleichen Wangen rote Flecken glühten. Offenbar war sein Gewissen nicht so rein, wie er vorgab.
»Ich vertraue Euch nicht mehr, Mr. Craile«, entgegnete Mutter Grimshaw, deren Stimme vor Wut zitterte. »Ihr seid entlassen. Verschwindet aus meinem Haus!«
»Aber, Madam …«
»Es reicht. Ihr habt Euch genug an mir und meinen Mädchen bereichert. Erwartet keine Entlohnung für Eure Betrügereien. Ihr solltet dankbar sein, dass ich Euch nicht anzeige.«
Craile stieß ein abfälliges Lachen aus. »Das würdet Ihr nicht wagen! Welcher Richter würde einer Hure recht geben?«
»Ihr vergesst, dass ich Richter und Advokaten zu meinen Kunden zähle. Richter Blagney würde mir sicherlich den Gefallen tun, einen Betrüger wie Euch zu verurteilen.«
Die roten Flecken auf Crailes Wangen vertieften sich, während er die Kupplerin feindselig anstarrte. Abrupt wandte sich der Buchhalter ab und stürmte aus der Studierstube. Rasch wich Kitty zur Seite, um ihn vorbeizulassen. Als ihr Blick zu Mutter Grimshaw zurückkehrte, barg diese bekümmert das Gesicht in den Händen.
»Dieser elende Betrüger«, murmelte die Kupplerin. »Wer weiß, um wie viel der Bursche mich in all den Jahren geprellt hat.«
Sie hob den Kopf und sah Kitty in der Tür stehen.
»Es tut mir leid, ich wollte nicht lauschen«, entschuldigte sich die junge Frau. »Ich kam nur zufällig vorbei.« Sie trat näher. »Es war gut, dass Ihr Mr. Craile entlassen habt. Ich habe ihm von Anfang an nicht getraut.«
»Wirklich?«, fragte Mutter Grimshaw verwundert.
»Er trägt eine teure goldene Uhr«, erläuterte Kitty. »Wie kann sich ein Buchhalter ein so kostspieliges Stück leisten, es sei denn durch Betrug?«
»Du hast ein scharfes Auge, Kindchen«, sagte die Kupplerin anerkennend. »Mir ist nicht aufgefallen, dass Craile eine goldene Uhr besitzt.«
»Ich habe einige Male beobachtet, wie er sie bewundernd in der Hand hielt.«
Seufzend ließ sich Mistress Grimshaw auf einen Stuhl fallen. »Ich wage mir gar nicht vorzustellen, wie viel Geld er unterschlagen hat.«
»Ich könnte die Bücher prüfen, Madam«, erbot sich Kitty spontan.
Die Kupplerin musterte die junge Frau überrascht. »Du verstehst etwas von Buchführung?«
»Mein Vater hat es mir beigebracht«, erklärte Kitty. »Das ist einige Jahre her, aber ich bin sicher, dass ich es noch kann.«
»Nun, einen ehrlichen und fähigen Ersatz für Craile zu finden dürfte auf die Schnelle schwierig sein«, überlegte Mutter Grimshaw. »Dabei ist es wichtig, umgehend einen Überblick zu erhalten, wie viel Geld fehlt. Wenn du möchtest, kannst du vorerst für mich die Bücher führen, Kitty. Dir vertraue ich mehr als einem windigen Buchhalter.«
Kitty saß in ein Buch vertieft allein in ihrer Kammer, als Mary an die Tür klopfte. Das fünfzehnjährige Mädchen betreute den Putzmacherladen. Sie bediente die Kunden, die tatsächlich nur Spitze oder andere Modewaren kaufen wollten, und schickte die Freier durch die Tür in der Wandvertäfelung in die Stube, der als Empfangsraum diente.
»Es tut mir leid, Euch zu stören, Miss«, sagte sie mit ratloser Miene. »Da ist ein Mann, der Euch zu sehen wünscht. Mistress Grimshaw ist ausgegangen. Und nun bin ich nicht sicher, ob ich ihn hereinlassen soll.«
»Hat er seinen Namen genannt?«, fragte Kitty.
»Nein. Er war noch nie hier, aber ich kenne ihn. Er heißt Francis Charteris, Colonel Francis Charteris. Er hat keinen guten Ruf.«
»Welcher Mann, der dieses Haus besucht, hat das schon?«, erwiderte Kitty leichthin. »Ich werde ihn mir ansehen.«
Nach einem kurzen Blick in den Spiegel folgte sie dem Mädchen nach unten. Als sie den Empfangsraum betraten, mussten sie feststellen, dass Charteris sich bereits selbst eingelassen hatte. Kitty musterte ihn prüfend. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig. Er war groß und breitschultrig. Seine Weste spannte sich über einem wohlgenährten Bauch, und sein rundes Gesicht mit der Knollennase, den fleischigen Lippen und dem Doppelkinn wurde von einer ungepflegten kurzen Perücke umrahmt. Die linke Hand auf einen Gehstock gestützt, die rechte in der Tasche seines Rockes versenkt, sah der Colonel sich gelassen in der Stube um. Noch bevor Kitty dem Blick seiner verschlagenen Augen begegnete, empfand sie einen starken Widerwillen gegen
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