Die Kurtisane des Teufels
zwischen sie kniete. Dann drang er mit brutaler Gewalt in sie ein, stieß immer wieder zu, als wollte er sie aufspießen wie ein erlegtes Wild. Schließlich übertönte Charteris’ triumphaler Schrei Kittys gequältes Stöhnen und das Splittern der Tür, als es Dickon endlich gelang, sie aufzubrechen. Er zerrte den Colonel von Kittys geschändetem Leib herunter und schleifte ihn am Kragen aus der Kammer.
»Ich habe bekommen, was ich wollte!«, rief Charteris.
Doch sie hörte ihn nicht mehr.
»Dumme Göre! Wie konntest du diesen stadtbekannten Wüstling hereinlassen!«, schallte Mutter Grimshaws zornige Stimme durch das Haus. Ein lautes Klatschen folgte, und dann war leises Weinen zu vernehmen. »Verschwinde, Mary! Ich will dich hier nicht mehr sehen.«
Schwer atmend und purpurrot vor Wut, trat die Kupplerin über die Schwelle des Gemachs. Polly saß auf der Bettkante und wiegte ihre Freundin, deren Tränen nicht versiegen wollten.
»Ich habe nach Meister Hearne geschickt«, sagte Madam Grimshaw leise. »Er wird bald hier sein. Bringen wir sie nach oben.«
Polly nickte und half Kitty beim Aufstehen. Es dauerte eine ganze Weile, bis die beiden Frauen sie die schmale Stiege hinauf ins Dachgeschoss geschafft hatten, denn Kittys Beine drohten immer wieder unter ihr nachzugeben. Wie ein Kind ließ sie sich von Polly entkleiden und ins Bett legen. Mutter Grimshaw breitete fürsorglich die Decke über ihren zitternden Körper.
»Ich hätte nicht übel Lust, den Kerl anzuzeigen«, knurrte sie. »Aber selbst ein vom Volk so verachteter Lump wie Charteris findet immer einen Fürsprecher, der ihm aus der Misere hilft.«
»Nein!«, stieß Kitty mit schreckgeweiteten Augen hervor. »Ich will ihn nie wiedersehen …«
»Schon gut, Kindchen. Das brauchst du nicht«, sagte die Putzmacherin beschwichtigend.
Jemand räusperte sich.
»Ah, Meister Hearne. Gut, dass Ihr da seid«, begrüßte die Kupplerin den Wundarzt, der mit verlegener Miene in der Tür zur Kammer stand. »Ich lasse Euch mit den Mädchen allein.«
Zögernd trat Meister Hearne näher. »Was ist geschehen? Dickon sagte, man habe Euch Gewalt angetan.«
Ein Schluchzen stieg in Kittys Kehle auf.
»Ich sehe schon«, meinte der Wundarzt verständnisvoll. »Ihr braucht vor allem etwas zur Beruhigung.« An Polly gewandt, bat er: »Bringt mir Wein.«
Geduldig setzte sich Hearne neben das Bett und wartete auf Pollys Rückkehr. Als das Mädchen mit einer Karaffe Wein erschien, füllte er ein Glas, gab einige Tropfen Laudanum dazu und reichte es Kitty.
»Trinkt. Dann fühlt Ihr Euch besser.« Als sie zögerte, lächelte er und fügte sanft hinzu: »Versprochen.«
Nach einer Weile spürte Kitty, wie sich ihre Glieder entspannten. Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Erinnerung an das schreckliche Erlebnis verblasste, wurde von der bleiernen Müdigkeit weggeschwemmt. Sie wollte nur noch schlafen. Bevor ihr die Augen zufielen, sah sie noch, wie sich Meister Hearne über sie beugte und vorsichtig ihre schmerzende Schläfe berührte.
»Ich gebe eine Heilsalbe auf die Blutergüsse«, sagte er zu Polly. »Doch die seelischen Wunden kann ich nicht behandeln. Da seid Ihr gefragt, meine Liebe.«
28
Ein warmer Frühlingsregen fiel auf die Häuser der Little Russell Street, füllte die Dachrinnen und brach in Fontänen aus den Fallrohren. Wie ein aufgeschreckter Vogelschwarm eilten die Passanten ins Trockene, stellten sich in den Hauseingängen unter oder rannten durch die rasch sich ausbreitenden Pfützen, um in einer nahen Schenke oder Kaffeestube Schutz zu suchen.
Kitty stand am Fenster und sah in den Regen hinaus, der sich zu einem dichten grauen Schleier verdichtet hatte. Unter den Dachfirsten hockten Spatzen mit triefendem Gefieder und warteten auf ein Ende des Schauers. Ab und zu schüttelte sich einer der Vögel und plusterte sich zu einem flaumigen Federbällchen auf, während kleine Regentropfen von seinem Schnabel fielen.
Kitty sehnte sich nach Wärme und Sonnenschein. Das trübe Frühlingswetter nach dem langen eisigen Winter drückte auf ihr Gemüt. Nach der Vergewaltigung hatte sie sich fast eine Woche lang völlig in sich selbst zurückgezogen und kaum ein Wort gesprochen. Polly sorgte sich rührend um die Freundin. In ihrer Freizeit saß sie an Kittys Bett, redete auf sie ein, las ihr vor oder hielt sie einfach nur in den Armen. Sobald sich Kitty körperlich so weit erholt hatte, dass sie das Bett verlassen konnte, ermunterte Polly sie,
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