Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
Vom Netzwerk:
ein Zuhause finden, wenn du das wünschst.«
    »Das werde ich nicht vergessen, Herzchen«, rief er fröhlich, berührte seine Hutkrempe und verschwand um eine Ecke.
    Kitty hatte es nicht mehr weit bis zur King Street. Vor einem eleganten Reihenhaus aus dunklen Backsteinen und mit weiß umrahmten Sprossenfenstern hielt die Kutsche an. Ein Lakai in blau-gelber Livree eilte aus der Haustür und öffnete ihr den Schlag. Als Kitty ausgestiegen war, wendete Brooks das Gefährt und fuhr zu den nahen Stallungen, an die eine Remise angeschlossen war.
    Das Haus unterschied sich von außen nicht von seinen Nachbarn, die adeligen Grundbesitzern oder reichen Bürgern als Stadtwohnung dienten. Kitty achtete darauf, dass nichts die respektable Fassade ihres edlen Bordells störte. Sie duldete kein rüpelhaftes Benehmen und scheute auch nicht davor zurück, einem Besucher, ganz gleich, welchen Standes, den Zugang zu verwehren, wenn dieser betrunken auf ihrer Schwelle erschien oder Krawall machte. Ihre Mädchen behandelte sie ebenso streng. Wenn sie auch nichts gegen die Vorliebe der Engländerinnen für Alkohol ausrichten konnte, achtete sie stets darauf, dass keine über die Stränge schlug. Kitty erlaubte ihnen weder Gin, Brandy noch Ratafia. Sie gestattete nur Wein und Bier.
    Die strenge Zucht und Ordnung, die sie in ihrem Haus hielt, sprach sich schnell herum und verleitete einen Pamphletisten dazu, das neue Etablissement als »Nonnenkloster« zu bezeichnen und Kitty den Titel einer »Mutter Äbtissin« zu verleihen. Bald sprach fast jeder ihrer Besucher sie auf diese Weise an und lobte die Grazie und Vornehmheit ihrer Nonnen.
    Kitty achtete sorgfältig darauf, dass ihre Mädchen keinen Umgang mit Männern außerhalb ihres Kundenkreises hatten oder Bekanntschaften mit anderen Frauen schlossen, die einen schlechten Einfluss auf sie ausüben konnten. Die Mahlzeiten nahmen sie stets gemeinsam ein. Zur Unterhaltung führte Kitty ihre Schützlinge ins Theater, auf Bälle oder in den St. James’s Park aus, wo sie von den Herren der Gesellschaft gesehen und bewundert werden konnten. Dazu kleidete sie sie in teure Seide und ausgesuchte Spitze, die sie aus Frankreich einführte. Sie unterhielt nie mehr als fünf Mädchen zur gleichen Zeit unter ihrem Dach. Diese hatte sie jedoch mit größter Sorgfalt ausgesucht. Wie damals Mutter Jolley besuchte nun Kitty die Herbergen, wenn die Wagen aus den Provinzen eintrafen, und sah sich nach einem hübschen Gesicht um. Sie fuhr stundenlang in ihrer Kutsche durch die Londoner Straßen und hielt Ausschau nach jungen Mädchen, die der Armut oder schlecht bezahlter Arbeit als Dienstboten, Wäscherinnen oder Hökerinnen entfliehen wollten. Kitty suchte die Büros auf, die Mädchen vom Lande Anstellungen vermittelten, und unternahm sogar eine Reise nach Dublin, von wo sie eine rothaarige Irin mitbrachte. Ihr größter Fang war eine Mestizin, die sie in den Londoner Docks entdeckte und die durch ihre pechschwarzen Haare und ihre dunklen Kohlenaugen hervorstach. Dabei suchte Kitty nicht allein Schönheit. Eine Frau, die von ihr ausgewählt wurde, musste vor allem Charme, Witz und ein fröhliches Gemüt besitzen, denn die Freier, die zu ihr kamen, wollten nicht nur ihre körperliche Lust befriedigen, sondern zudem noch geistreich unterhalten werden. Anders als die Kupplerinnen, die Kitty aus ihrer Zeit in Covent Garden kannte, versuchte sie jedoch nicht, die Mädchen in einem Netz falscher Versprechungen zu fangen, um sie schließlich vor vollendete Tatsachen zu stellen. Stattdessen schenkte sie ihnen von Anfang an reinen Wein ein und ließ sie freiwillig entscheiden, ob sie ihren Körper verkaufen wollten oder nicht.
    Wie Kitty es von Mutter Grimshaw gelernt hatte, bildete sie ihre Mädchen in der Kunst der Unterhaltung aus und brachte ihnen bei, sich graziös und zugleich natürlich zu bewegen. Zusätzlich hatte sie einen Musik- und einen Tanzlehrer eingestellt. So lernten ihre Nymphen nicht nur die neuesten Tänze, sondern auch, ein Instrument zu spielen und zu singen.
    Um die Gesundheit der Mädchen zu überwachen, hatte Kitty Meister Hearne angeboten, fortan allein für sie zu arbeiten, und der Wundarzt hatte freudig zugestimmt. In ihren Diensten hatte er es zu seiner Erleichterung nicht mehr mit Betrunkenen zu tun, die sich bei einer Prügelei die Köpfe einschlugen oder einander mit dem Degen traktierten.
    Als Kitty die Eingangshalle betrat, stieg ihr bereits der Duft des Mittagsmahls in die Nase,

Weitere Kostenlose Bücher