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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Tag machte sich Daniel mit so bewundernswertem Geschick daran, an Kittys Wunde die Fäden zu ziehen, dass sie der Verdacht überkam, er mache etwas Derartiges nicht zum ersten Mal. Es gab so vieles, was sie nicht über ihn wusste.
    Der Vorort Clerkenwell, in dem sie wohnten, galt als aristokratisches Viertel, auch wenn sich mittlerweile immer mehr Kaufleute und Handwerker in den neu errichteten Backsteinhäusern niederließen. Noch gehörte Clerkenwell zum Sprengel von St. Giles Cripplegate, doch es gab Pläne, bald eine eigene Pfarrei für die steigende Zahl der Einwohner einzurichten. Daniel hatte sich entschieden, in diesem respektablen Vorort eine Kammer zu mieten, da sich anders als in St. Giles nur selten Gauner dorthin verirrten. So war die Gefahr, dass Kitty erkannt und ihr Aufenthaltsort Jonathan Wild zu Ohren kam, geringer. Sie mussten nur die Schenken auf der Turnmill Street im Westen des Viertels meiden, wo sich Diebe und Einbrecher mit ihren Hehlern trafen. Die Straße wurde auch als »Jack Ketchs Kaninchenbau« bezeichnet, nach einem Henker des vergangenen Jahrhunderts, der seine Finger in so mancher Gaunerei gehabt hatte.
    Wenn Daniel und Kitty keine Lust verspürten, allein in ihrer Unterkunft zu essen, gingen sie in eine der unzähligen Schenken, Garküchen und Alehäuser auf der nahen St. John’s Street und machten nach dem Essen ausgedehnte Spaziergänge in den umliegenden Gassen mit ihren feinen schmalen Häusern aus dunklen Ziegeln.
    Einmal las Daniel im Daily Courant, der ersten Londoner Tageszeitung, die Ankündigung eines Degenduells, das in der Bärenarena auf der Hockley-in-the-Hole stattfinden sollte, und führte Kitty dorthin aus.
    Ein anderes Mal sahen sie einen Faustkampf zwischen zwei Frauen, einer Irin und einer Schottin. Letztere unterlag nach über einer Stunde mit zerschlagenem, blutüberströmtem Gesicht, so dass Kitty ihren Besuch am Ende bereute und schwor, sich nie wieder ein derartiges Schauspiel anzusehen. Eine Bärenhatz oder einen der Hundekämpfe zu besuchen, für die die Bärenarena der Hockley-in-the-Hole berühmt war, hatte sie gleich abgelehnt, da sie jegliche Art von Tierquälerei verabscheute.
    »Es ist schon vorgekommen, dass sich das Blatt zugunsten der misshandelten Kreatur gewendet hat«, räumte Daniel ein. »Vor zehn Jahren wurde der frühere Eigentümer von einem seiner eigenen Bären gefressen.«
    »Tatsächlich?«, meinte die junge Frau mit einem Schaudern. »Im Grunde geschah es ihm recht«, fügte sie unversöhnlich hinzu.
    Daniel lachte. »Wie rachsüchtig du bist. Diese Seite kenne ich gar nicht an dir.«
    Daraufhin nickte sie nachdenklich. »Es ist erschreckend, wie rasch das Leben in London einen Menschen verändert.«
    Das warme Wetter hielt sich den ganzen Sommer über, so dass Kitty das Viertel auf ihren gemeinsamen Streifzügen recht gut kennenlernte. In den Gassen rund um den St. John’s Court hörte man überall Französisch, denn hier hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr Hugenotten niedergelassen, die nach der Aufhebung des Edikts von Nantes im Jahre 1685 der Unterdrückung ihrer Glaubensgemeinschaft in Frankreich entflohen waren und nun in Clerkenwell ihrem Handwerk nachgingen. Neugierig sah Kitty durch die Fenster oder offen stehenden Türen in die Werkstätten der Uhrmacher und Papierhersteller, der Graveure und Drucker, der Emailleure und Büchsenschmiede und nahm oftmals die Gelegenheit wahr, ihr eingerostetes Französisch aufzupolieren, indem sie ein paar Worte mit dem Meister oder den Gesellen wechselte.
    Für Kitty gab es so viel Neues zu sehen, dass die Wochen wie im Flug vergingen. Mehrmals besuchten sie das neben einer eisenhaltigen Quelle aus Holz errichtete Musikhaus Sadler’s Wells, um das Wasser zu kosten und Aufführungen von Seiltänzern, Pantomimen, Possen und Schwänken zu sehen, die stets ein lebhaftes Publikum von Kaufleuten aus der Stadt, Handwerkern, Lehrlingen, kleinen Beamten und armen Leuten anzogen.
    Nicht weit entfernt gab es eine zweite Quelle, bekannt als Islington Spa, mit weitläufigen Gärten, die zu Spaziergängen einluden. Man konnte in einer der für Liebespaare eingerichteten Lauben haltmachen, im Kaffeehaus etwas zu sich nehmen oder in einem Tanzsaal tanzen.
    Oftmals aßen sie im »Sir John Oldcastle«. Das Gasthaus lag an einem Kanal, in dem die Kundschaft nach Karpfen angeln konnte, die der Wirt dann zubereitete.
    Hin und wieder ließ Daniel Kitty einige Stunden oder auch den ganzen

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