Die Kurtisane des Teufels
zwischen den adeligen Theaterbesuchern in der Loge saß und versuchte, einen unschuldigen Gesichtsausdruck zu bewahren, wie es einer sittsamen Bürgerstochter geziemte? Würde sie im nächsten Moment aufwachen und feststellen, dass sie noch immer in ihren Lumpen unter einem zugigen Verkaufsstand lag?
Die Ankunft des Prinzen von Wales und seiner Gemahlin Caroline riss Kitty aus ihren Grübeleien. Mistress Grimshaw, die neben ihr saß, zeigte diskret auf die einzelnen Logengäste und flüsterte ihr die entsprechenden Namen zu. Es waren Herzöge, Grafen und Barone darunter. Der ein oder andere machte der Kupplerin ein Zeichen, um ihr sein Interesse zu bezeigen. Kitty kam sich vor wie auf einem Viehmarkt. Sie war die Kuh, die zum Höchstpreis versteigert werden sollte. Der Gedanke widerte sie an, doch sie verdrängte ihre Abscheu. Im Grunde war die ganze Angelegenheit nichts anderes als ein Geschäft. Nur daran durfte sie denken!
Einige Tage später besuchten die beiden Frauen eine Pantomime im Theater in den Lincoln’s Inn Fields. Wieder erregte Kitty größtes Aufsehen, doch Madam Grimshaw wehrte jeden noch so entschlossenen Anbeter, der sich ihr zu nähern versuchte, höflich, aber nachdrücklich ab.
»Freilich kann ich es mir nicht erlauben, dich einem meiner Stammgäste als Jungfrau anzubieten«, erläuterte die Kupplerin ihrer Schülerin. »Sie sind zu erfahren und haben zu viele echte Jungfernschaften geraubt, um selbst auf meine raffinierten Kniffe hereinzufallen. Ich habe allerdings bereits einige großzügige Angebote von erlauchten Herren, die sich einmal den Luxus eines unberührten Mädchens gönnen wollen, von zwanzig Guineen bis fünfzig Pfund.«
»So viel?«, entfuhr es Kitty ungläubig.
»Wir werden einhundert Pfund für dich bekommen, du wirst sehen«, versicherte die Bordellwirtin. Sie blickte die junge Frau ernst und eindringlich an. »Es sei denn, du bist zu wählerisch und bestehst darauf, dass deine Freier jung und gutaussehend sind. Diese Sorte ist unter meinen Kunden recht dünn gesät, denn die wenigsten verfügen über das nötige Kleingeld. Natürlich wähle ich nur einen Mann aus, der gesund ist. Und er wird überdies eine ›Rüstung‹ tragen, darauf werde ich bestehen.«
Polly hatte Kitty bereits in den Gebrauch dieser seltsamen Überzieher aus mit Lauge getränktem Leinen eingeweiht, die über das steife Glied des Mannes gezogen und mit einem roten Bändchen festgebunden wurden. Diese »Cundums« oder »neue Maschinen« genannten Futterale wurden in drei Größen angeboten und in einer seidenen Umhüllung geliefert.
»Ich überlasse Euch die Wahl, Madam«, erwiderte Kitty. »Mir kommt es nur auf den Gewinn an, der bei der Sache herausspringt.«
Mutter Grimshaw tätschelte der jungen Frau den Arm. »Das lobe ich mir. Du hast Geschäftssinn, Kleine. Wir werden schon den Richtigen für dich finden.«
21
Eine weitere Woche noch ließ die Kupplerin die Interessenten zappeln, dann wählte sie drei von ihnen aus, von denen sie wusste, dass sie gesellschaftlich nicht miteinander verkehrten. Einem jeden verkaufte sie Kittys Jungfernschaft für einhundert Guineen.
Der jungen Frau war nicht wohl dabei, drei verschiedene Männer hinters Licht führen zu müssen, doch Mistress Grimshaw versicherte ihr, dass sie von dem Betrug nichts merken würden.
An dem Tag, bevor sich der erste der drei Anwärter angekündigt hatte, gab die Bordellwirtin Kitty mehrere Zäpfchen, die mit einem zusammenziehenden Mittel aus in Wein gesottenen Myrtenbeeren, Wurzeln des Kapernstrauchs, Eichenrinde, Wiesenknöterich, Ampfer und Wegerich getränkt waren. Die junge Frau sollte mehrmals täglich eines davon in ihre Scheide einführen, die dadurch enger wurde.
Am Abend des folgenden Tages ließ Kitty sich für ihren großen Auftritt herausputzen. Madam Grimshaw beschäftigte eigens zwei Zofen, die ihren Mädchen beim Ankleiden und Frisieren halfen. Nervös auf ihrer Lippe kauend, saß Kitty steif wie ein Stock da, während Mary ihr Haar kämmte und es dann auf ihrem Hinterkopf zu einem Knoten wand.
»Versucht, Euch zu entspannen, Miss«, riet die Zofe. »Dann fällt es Euch gleich viel leichter.«
Kitty nickte, doch ihre Eingeweide verkrampften sich nur umso schmerzhafter. Wie sehr wünschte sie, Henry Montague möge der Freier sein. Bei ihm hatte sie sich sicher gefühlt. Nicht jeder Mann würde so rücksichtsvoll und zärtlich mit ihr umgehen, wie er es getan hatte. Ärgerlich ermahnte sie sich, dass sie
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