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Die Lady auf den Klippen

Die Lady auf den Klippen

Titel: Die Lady auf den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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jeder Ecke ihres Hauses lauerten Geister. Bei jedem Schritt, den sie machte, jeder Geste, jedem Wort, schienen die Geister zu erwachen, denen sie aus dem Weg zu gehen suchte. Wenn sie an der Bibliothek vorbeiging, sah sie, über seinen Schreibtisch gebeugt, ihren Vater sitzen, wie er es zu Lebzeiten getan hatte. Es versetzte ihr einen Stich, doch es gelang ihr, den Kummer zu bezähmen. Das Porträt ihrer Mutter, beinahe lebensgroß, blieb an der Wand über der Treppe. Wenn sie es anschaute, sah sie ihre Mutter in der Kutsche vor sich, ehe sie in den Tod gerissen wurde. Dieses Bild musste energisch beiseitegeschoben werden. Und irgendwo hinten in ihrem Gedächtnis lauerte auch Sir Rex.
      Auch er drohte ihr die Fassung zu rauben.
      Jetzt blickte sie aus dem Fenster des Marmorfoyers. Acht Kutschen säumten ihre Einfahrt, jede mit Verehrern, die darauf warteten, dass die Uhr zwölf schlug, damit sie vorsprechen konnten. Es hat sich schnell herumgesprochen, dass ich wieder in der Stadt bin, dachte sie finster, denn sie war erst spät in der Nacht eingetroffen. Aber sie war an Besucher gewöhnt, und es wäre seltsam gewesen, wenn niemand käme. Sollte sie tatsächlich einen dieser Männer als möglichen Ehemann in Erwägung ziehen? Sie wusste, dass sie es nicht könnte, nicht nach den letzten beiden Wochen. Wenn sie es wagte, ehrlich zu sich selbst zu sein, dann musste sie zugeben, dass ihr Herz gebrochen war. Doch sie musste dieses Wagnis nicht eingehen. Denn diese Wahrheit könnte sie sich nicht vernünftig und ruhig, ohne jedes Gefühl eingestehen. Sie hatte jetzt ein schreckliches Geheimnis, und sie wollte nicht, dass je ein Mensch davon erfuhr.
      Sie ging durch einen der größten Räume im Haus, dem goldenen Salon, wo sie fünfzig oder sechzig Gäste empfangen konnte. Die Böden waren mit hellen Aubussonteppichen bedeckt, drei große Kristallleuchter hingen von den hohen Decken, jeder Stuhl, jedes Sofa war in Cremetönen gehalten – Beige, Sand und Gold. In diesem Augenblick erschien ihr Butler an der Türschwelle. „Ja, Jem?“
      „Mylady, Lady Waverly und Lady Dagwood sind hier. Ich habe sie eingelassen, in der Annahme, dass Sie die Damen sehen wollen, ehe Ihre Verehrer kommen.“
      Blanche freute sich. Sie lächelte und ihr wurde bewusst, dass dies das erste Lächeln war, seit sie Cornwall verlassen hatte. Sie sehnte sich so sehr danach, ihre beiden besten Freundinnen zu treffen. Bei diesem Gedanken drängte sich das Bild von Sir Rex’ vor, doch sie verweigerte ihm jeden Platz in ihrem Gedächtnis. Gegen ihren Willen durchzuckte sie ein unangenehmes Gefühl. Einst hätte sie Bess und Felicia alles erzählt. Jetzt durften sie nichts von den Geschehnissen wissen. „Sie haben recht. Ich freue mich sehr, meine beiden besten Freundinnen wiederzutreffen.“ Vielleicht konnten Bess und Felicia ihr helfen, ihr altes Leben wieder aufzunehmen – ein angenehmes, ruhiges Dasein ohne Sorgen.
      „Sie sind im blauen Zimmer“, sagte Jem und verneigte sich.
      Blanche dankte ihm. Bess stand an einem der Bogenfenster im kleinen blauen Salon, elegant gekleidet in Bronze und Grün. Felicia saß auf dem Sofa und nippte an ihrem Tee. Als Blanche eintrat, fuhr Bess herum, und Felicia stand auf. „Du bist wieder da!“, rief Bess, lief zu ihr und drückte sie fest an sich.
      „Ja, das bin ich, und ich freue mich, euch zu sehen“, sagte Blanche lächelnd. Sie drehte sich um und umarmte Felicia. Die strahlte in einer Weise, die Blanche sogleich wiedererkannte – es war das Strahlen einer verliebten Frau. „Wie geht es euch beiden?“, fragte sie, während ihr Herz seltsam schmerzte. Es war schwer, nicht an Sir Rex zu denken, aber sie war so glücklich, dass Felicia ihren neuen Ehemann mochte.
      „Wir haben dich vermisst!“, rief Bess aus, und ihre grünen Augen leuchteten. „Blanche, was ist in Land’s End passiert? Hast du Sir Rex gebeten, dich zu heiraten? Ich wäre beinahe gestorben, als ich deinen Brief las.“
      Blanche wandte sich ab. „Ach, den dummen, überstürzten Brief habe ich schon vergessen.“
      Bess und Felicia tauschten Blicke. „Du schienst ganz hingerissen“, meinte Felicia eifrig. „Bess hat mich den Brief lesen lassen.“
      „Ich war nicht hingerissen“, erwiderte Blanche schroff. Gegen ihren Willen sah sie Sir Rex ganz deutlich vor sich. Sein Blick glühte vor Leidenschaft, so wie in der Nacht, als sie in seinem Bett gelegen hatten. Es versetzte ihr einen

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