Die Lady mit dem Bogen
aufrecht dastand, schwankte sie ein wenig, schob aber ihr Kinn in stummem Trotz vor.
»Mylady«, sagte König Henry mit der Andeutung eines Lächelns. »Ich habe gegen Euch Milde gezeigt, da eine Eurer Mitschwestern half, mir das Leben zu retten, doch ist meine Geduld mit Euch erschöpft.«
»Das kann ich verstehen, Euer Majestät«, sage Mallory in einem Ton, ebenso trotzig wie ihre Haltung. »Ich verstehe auch, dass …«
»Mallory, still«, zischte Saxon mit einem finsteren Blick in ihre Richtung. Sie biss sich auf die Lippen, was ihn jedoch nicht beruhigte. Jede andere Frau, sogar jene am Hof der Königin, die behaupteten, den Männern überlegen zu sein, würde einen solchen Blick als Warnung auffassen und weiter den Mund halten.
Nicht Mallory.
»Schafft sie zurück ins Zelt und stellt doppelte Posten auf«, befahl der König, der sich wieder zum Tisch umdrehte, offenbar gewillt, die Debatte zu beenden. Er bedachte Mallory mit einem kühlen Lächeln, als er sich auf die Bank hinter dem Tisch setzte. »Bringt sie bei Sonnenuntergang wieder zu mir. Dann werde ich mit meinem Tagewerk fertig sein und Zeit haben, mir von ihr die Information zu verschaffen, die ich brauche, um St. Jude’s Abbey ein Ende zu bereiten.«
»Nein!«, schrie sie auf. Sie stürzte zu ihm und fiel auf die Knie. »Euer Majestät, ich flehe Euch an, lastet meine Fehler nicht dem Kloster an. Ich werde Euch alles sagen, was ich weiß, wenn Ihr nur die Abtei verschont.«
»Es sind nicht Eure Fehler, sondern jene der Königin, und Ihr werdet mir später alles sagen, was Ihr darüber wisst.« Er griff nach einer Pergamentrolle und strich sie glatt.
Saxon war starr vor Entsetzen, als Mallory sich langsam aufrichtete. Keine Tränen schimmerten in ihren glanzlosen Augen. Ihr Gesicht war bar jeder Gefühlsregung. Sie ging durch das Zelt, als wäre alles Leben aus ihr gewichen. Als sie an ihm vorüberging, würdigte sie ihn keines Blickes und ging einfach weiter. Fast sah es aus, als wäre sie direkt in die Zeltwand gerannt, wenn nicht einer ihrer Bewacher ihren Arm genommen und sie aus dem Zelt gestoßen hätte.
Er wollte ihr folgen, wollte ihr sagen, dass sie die Hoffnung nicht aufgeben solle und dass ihr Leben und ihre Abtei noch nicht verloren wären, doch hatte der König ihn noch nicht entlassen.
Als hätte Saxon laut gesprochen, blickte der König auf und sagte: »Fitz-Juste, ich habe eine Aufgabe für Euch.« Er reichte ihm eine Schriftrolle, die sein Siegel trug. »Man hält Euch für einen Gefolgsmann der Königin. Wenn Ihr also Sympathisanten der Königin und meiner aufrührerischen Söhne treffen solltet, könntet Ihr Euch für einen der Ihren ausgeben. Das sollte Euch Zutritt zu König Louis verschaffen, der meine Antwort erwartet.«
»Es ist mir eine Ehre, Euch zu dienen, Euer Majestät«, sagte er und steckte das Pergament unter sein Gewand neben das Briefbündel.
»Die Reise ist so kurz, dass Ihr in drei Tagen wieder zurück sein könnt.«
»Drei Tage sind gar nichts, Euer Majestät. Wenn ich um eine Gunst bitten dürfte …«
»Falls Ihr mich bitten wollt, Lady Mallorys Verhör zu verschieben, könnt Ihr keine Milde erwarten. Ihr habt sie gesehen. Sie ist bereit, mir alles zu verraten, was ich wissen möchte.«
»Ihr könnt nicht sicher sein, ob sie lügt oder die Wahrheit sagt. Ich kann es Euch bestätigen und Euch viel Zeit und möglicherweise Menschenleben auf dem Weg nach Poitiers ersparen.«
König Henry lächelte eisig. »Ihr habt mehr von Eurem Vater an Euch, als ich ahnte, Fitz-Juste. Sehr gut. Es sieht aus, als wäre ich gut beraten, das Verhör bis nach Eurer Rückkehr zu verschieben.«
Saxon neigte den Kopf und ging aus dem Zelt des Königs. Er sprach mit niemandem, während er zum Fluss ging und aufs Wasser starrte. Einst hätte er dem König fraglos geglaubt, doch das war, ehe er erfahren hatte, dass nichts so einfach und unkompliziert war wie die Geschichten, die er am Hof der Königin vorgetragen hatte. Wenn es dem König beliebte, Mallory zu verhören und sie hinzurichten, ehe Saxon König Louis erreichen konnte und zurückkehrte, würde König Henry nicht zögern, es zu tun.
Er lauschte dem Fluss, der über Steine rauschte und unter Pflanzen dahinglitt. Jede Bewegung schuf Musik. Mit einem Fluch zog er seine Laute vom Rücken. Was für Musik konnte es in seinem Leben geben, wenn Mallory nicht mehr war? Am besten, er warf die Laute ins Wasser.
Er ließ das Instrument sinken. Er konnte ihr Todesurteil
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