Die Lady mit dem Bogen
war, dass er ihre Bewegung in der Finsternis sehen konnte. Als er sie freigab, sah sie verwundert, dass er sich bückte und vom Boden einen Stock aufhob, den er ihr reichte. Keinen Stock, sondern ihren nicht gespannten Bogen. Sie nahm ihn entgegen, und er holte hinter einem Baum einen zweiten hervor und hängte sich einen gefüllten Köcher über die Schulter. Sie durfte nicht daran denken, dass er diese Pfeile auf Männer des Königs abschoss, da sie wusste, mit welch tödlicher Präzision er zielte. Sie folgte ihm durch die Dunkelheit, froh darüber, dass der Mondschein fast so schwach war wie das Sternenlicht.
Immer wieder blieben sie stehen. Als einige Bewaffnete vorüberzogen, einige beritten, die meisten zu Fuß, wagten sie kaum zu atmen. Unzählige Fragen machten ihr zu schaffen: Wo waren ihre Bewacher? Warum war sie nicht nach Sonnenuntergang dem König vorgeführt worden, wie dieser es befohlen hatte? Wohin gingen sie? Sie sprach keine dieser Fragen aus, während sie mit ihm Schritt hielt und sich fragte, wohin sie gingen und wie lange es dauern würde, bis sie in Sicherheit waren. Als sie an einem kleinen Cottage vorüberkamen, hoffte sie, der Halbmond auf seinem Wappenrock würde nicht im Mondschein glänzen. Hinter ihnen ertönten Rufe.
»Lauf!«, befahl Saxon.
Sie lief bereits. Ihr verschmutztes Gewand hochraffend, rannte sie mit ihm zwischen den Bäumen hindurch. Ihr Atem trommelte bei jedem Schritt gegen ihre Rippen. In ihrem langen Kleid und mit dem an ihrem Bein angeschnallten Köcher konnte sie nicht schneller laufen als Männer.
Ein Blick zwischen den Bäumen hindurch zeigte ihr wieder ein kleines Gemäuer. Ein Cottage oder eine Scheune. Sie blieb stehen und horchte. Das Blut dröhnte ihr in den Ohren, als sie mit angehaltenem Atem die Ohren spitzte.
Sie hörte Pferde. Sie hielt auf den Bau zu, der ein Stall sein musste. Saxon warf einen Blick zurück und sah, dass sie nicht hinter ihm war. Sie winkte ihm, und er lief zu ihr.
»Pferde. Reiten.« Sie stieß die Worte keuchend hervor.
»Gute Idee.«
»Geh und hole sie.«
»Mallory …«
»Geh! Ich komme gleich nach.«
Sie spannte ihren Bogen und lehnte ihn an die Scheunenwand. Zwischen den Bäumen tanzendes Laternenlicht verriet ihr, dass die Männer des Königs rasch zur Stelle sein würden. Mit ihrem Dolch schnitt sie ihr Kleid seitlich auf, um Zugriff auf ihren Köcher zu haben. Als Nächstes schnitt sie ihre langen Ärmel ab. Als sie schwer auf den schlammigen Boden fielen, kniete sie nieder und schnitt den Stoff auf. Sie zog die Dinge heraus, die sie darin versteckt hatte – das hölzerne Kästchen, einige andere Holzstücke, zehn dünne Schäfte, die nun befiedert waren und kleine Pfeilspitzen trugen, sowie zwei Längen Bogensehne.
Nicht gewillt, sich von den zwischen den Bäumen sichtbaren Lichtern ablenken zu lassen, nahm sie ein Stück Holz und krümmte es wie einen Bogen. Sie befestigte die längere Sehne mit jedem Ende. Sie hoffte, im unzulänglichen Licht keinen Fehler zu machen, als sie die anderen teilweise mit Bolzen verbundenen Teile zusammenfügte und den Behälter auf einem langen Stück Holz befestigte, nachdem sie die zehn kleinen Pfeile in den Behälter getan hatte, einen über den anderen, bis das Kästchen voll war. Wo war der Deckel? Sie konnte ihn im Schlamm nicht finden. Einerlei. Sie drehte die Bolzen fest, die den Abschussmechanismus mit dem Kästchen verbanden.
Sie hob es auf und sank auf ein Knie. Es war schwerer als vermutet, weil sie, als sie eine ähnliche Waffe in St. Jude’s Abbey verfertigt hatte, hohle Schilfrohre verwendet hatte.
»Was machst du da?«, fragte Saxon, als er aus der Dunkelheit auftauchte. Er führte zwei Pferde durch den Schlamm, der ihren Hufschlag dämpfte. Sein gespannter Bogen hing über seiner Schulter. Er ließ die Zügel fallen und griff zum Bogen. Dann zog er eine Hand voll Pfeile hervor, deren Spitzen er in den Boden steckte, so dass er sie rasch zur Hand hatte, um sie nacheinander abschießen zu können.
»Tu deine Pfeile weg«, befahl sie.
»Was?«
»Tu sie weg. Die Männer des Königs wissen nicht, dass du mir beistehst. Sie sollen glauben, ich sei allein … bis wir die Wahrheit enthüllen müssen.«
»Mallory, du brauchst mich nicht zu schützen. Sobald deine Bewacher auf wachen, werden sie merken, dass ihr Wein ein Betäubungsmittel enthielt. Sie werden erfahren, wer veranlasste, dass sie den Wein bekamen, und der König wird bald entdecken, dass ich nicht zu
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