Die Lady mit dem Bogen
die sie Malcoeur gegeben hatte, waren von der Inbrunst eines Ritters erfüllt, der seinem Schwerteid folgt. »Im Lager des Königs ging das Gerücht um, der König wolle den Onkel der Königin bestrafen, da dieser sich gegen ihn erhoben hätte. Sie reitet den Truppen des Königs womöglich direkt in die Arme. Wer begleitet sie?«
Ruby zählte die Männer an den Fingern ab und nannte ihre Namen. »De Mauzé und de Matha sowie Mangot und le Pantier.«
»Das sind die vier, die sie mit dir, Saxon, nach St. … nach England nahm.« Mallorys Stocken verriet ihm, dass sie vor Ruby gern offen gesprochen hätte, doch was die Dienerin nicht wusste, würde sie schützen, wenn König Henry nach Poitiers käme. »Wir müssen ihr nach.«
Er packte ihre Schultern und schüttelte sie sanft. »Mallory, du musst fliehen! Der König hat dich zum Tode verurteilt.«
»Mylady!«, stöhnte Ruby erschrocken.
»Ich gelobte, die Königin zu schützen, und werde es tun!«, sagte Mallory.
»Die Getreuen des Königs werden nach einer Frau mit Bogen Ausschau halten. Zweifellos hat König Henry für deine Festnahme eine großzügige Belohnung ausgesetzt. Wenn du tot bist, kannst du nichts mehr für die Königin tun.«
Sie wurde unsicher, und er unterdrückte das Verlangen, sie an sich zu ziehen und sie über ihre Enttäuschung hinwegzutrösten. Sie wollte die Königin retten, wollte beweisen, dass sie würdig war, eine Lady von St. Jude’s Abbey zu sein, doch musste sie sich eingestehen, dass er recht hatte. Für die Häscher des Königs war sie eine fast ebenso kostbare Beute wie die Königin selbst.
Ruby sagte in die Stille hinein: »Ich hole etwas zum Essen. Ihr müsst hungrig sein.«
»Ja, sehr.« Saxon schenkte der Dienerin das spitzbübische Lächeln, das er immer zur Schau getragen hatte, als er an Mallorys Tür erschienen war.
Ruby versetzte ihm spielerisch einen Schlag auf den Arm und errötete, als ihr Blick auf seinen Wappenrock fiel. »Vergebt mir. Das hätte ich nicht tun sollen … Ihr seid jetzt ein Ritter.«
»Nicht ganz.« Sein Lächeln wurde kühl, als er mit ihr und dem Hund zur Tür ging. »Möglicherweise werde ich es nie sein, da der König meine Mithilfe bei Mallorys Flucht nicht vergessen wird.«
»Ihr müsst mir alles erzählen, wenn ich das Essen bringe«, bat die Dienerin.
»Ja, eine tolle Geschichte. Stimmt’s, Mallory?«
Als sie keine Antwort gab, drehte er sich um und sah, dass Mallory sich nicht gerührt hatte. Er ging zu ihr, legte den Arm um ihre Schultern und führte sie durch die Tür hinaus. Nie wieder würde er ein gebrochenes Herz besingen können, ohne ihr Antlitz in diesem Moment vor Augen zu haben.
kapitel 21
M allory trat an den Fenstersims ihres Gemaches. Beide Türen waren verriegelt, und Ruby schlief auf dem Boden vor ihrer Tür. Mallory hatte angeboten, die letzte Wache vor Tagesanbruch zu übernehmen, und Saxon war in einem Sessel an der anderen Tür erschöpft nach dem langen Ritt eingeschlafen. Sie selbst war versucht, wieder ins Bett zu fallen und sich auszuschlafen.
Sie hatte sich viel Mühe gegeben und Saxon und Ruby mit Halbwahrheiten abgelenkt, als sie zusammensuchte, was sie brauchte. Unter ihrer Bettdecke war ein Seil verborgen, das einen Gobelin gehalten hatte. Es war mindestens zehn Fuß lang, also für ihre Zwecke ausreichend. Bekleidung hatte sie in einer vergessenen Truhe gefunden und unter ihrem Bett versteckt. Sie hatte gesehen, dass Malcoeur und seine Bande ihr Diebesgut in einer Ecke des Gartens aufgehäuft hatten, doch hatte sie sich jede Bemerkung versagt, als sie auf der Suche nach Stiefeln vorbeischaute. Da sie kein passendes Paar gefunden hatte, musste sie mit ihren eigenen Schuhen vorliebnehmen. In der Werkstatt des Bogenmachers hatte sie mehr Glück gehabt und ihren Köcher mit Pfeilen gefüllt. Als Reserve hatte sie einen ganzen Sack voller Pfeile mitgehen lassen. Sie hatte sie mit den Kleidern unters Bett getan, bis die richtige Zeit gekommen war.
Und die Zeit war richtig, da die anderen schliefen. Sie zwinkerte mehrmals, um die Müdigkeit aus ihren Augen zu vertreiben. Um Saxon oder die Zofe nicht zu wecken, indem sie mit dem Bogen gegen die Mauer stieß, legte sie mit äußerster Vorsicht einen Pfeil an die Sehne. Rasch berechnete sie, wie das an den Pfeil geknüpfte Seil sich auf dessen Trägheit auswirken würde. Das andere Fenster war zehn Fuß entfernt, doch der Aufprall musste den Pfeil tief in die geschlossenen Fensterläden treiben.
Sie hoffte,
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