Die Lady mit dem Bogen
König Louis ging, wie er es wollte.«
»Wovon redest du da?«
»Das erkläre ich dir später.«
Der Lärm ihrer Verfolger brach unter den Bäumen hervor. Sie erhob sich aus ihrer knienden Stellung, hockte sich nieder und schob ihre Waffe auf den Knien zurecht. Ein Ende des langen Brettes drückte sie an ihren Bauch, den Bogen-Teil balancierte sie vor sich.
»Was um Himmels willen ist denn das?«
»Nariko nennt es chu-ko-nu.«
»Nariko?«
»Meine Lehrerin im Kloster.« Rasch prüfte sie den einfachen Abschussmechanismus. »Es ist eine Armbrust aus dem Fernen Osten. Sie lernte von ihrem Vater, wie man das Ding herstellt, und brachte es mir bei. Man kann damit in rascher Folge zehn Pfeile abschießen.«
»Wie rasch?«
»In weniger als einer halben Minute.«
»Du machst Witze.«
Sie blickte lächelnd zu ihm auf. »Nein.«
»Das ist erstaunlich! Warum ist mir von einer solchen Waffe noch nie etwas zu Ohren gekommen?«
»Sie stammt aus dem Osten, von weit her über den Ozean. Wir …« Sie hob die Armbrust. »Sie sind schon fast da. Halte die Pferde bereit. Uns bleiben nur Sekunden, nachdem ich die Pfeile abgeschossen habe.«
Er tat seine Pfeile zurück in den Köcher und griff wieder nach den Zügeln. »Fertig.«
Als die Männer, fast ein halbes Dutzend, zwischen den Bäumen hervorbrachen, zog sie den Hebel, immer wieder. Und jedes Mal schnellte ein Pfeil aus dem kleinen Kästchen, flog in hohem Bogen durch das Dunkel, schmale, silbrige Linien, die zwischen den Bäumen verschwanden.
»Die Pfeile sind zu klein! Die halten niemanden auf«, äußerte er in scharfem Flüsterton.
»Sie werden unsere Verfolger verwirren und glauben machen, in einen Hinterhalt mit vielen Bogenschützen geraten zu sein.«
Die Schreie der Männer, die zwischen den Bäumen Deckung suchten, verrieten ihr, dass ihre Rechnung aufging.
»Los jetzt«, rief sie. »Einmal konnten wir sie täuschen, ein zweites Mal wird es uns nicht gelingen.«
Sie hielt nur inne, um ihren anderen Bogen zu spannen und das nun nutzlose chu-ko-nu unter einem Busch zu verstecken und mit Laub zu bedecken, damit es unentdeckt blieb. Als Saxon sie auf den Rücken des Pferdes schwang, trieb sie das Tier laut an, sodass es übers Feld sprengte und mit Leichtigkeit die Mauer am anderen Ende übersprang.
Ein Blick zurück zeigte ihr, dass Saxon ihr rasch nachsetzte, um sie einzuholen. Das schwache Licht schimmerte auf den Emblemen seines Rockes und dem hellen Grau seines Pferdes. Er hätte einer der kühnen Helden aus seinen Liedern sein können, doch wusste sie, dass er viel, viel mehr war.
Als er mit ihr gleichauf war, wies er nach Westen. »Wir können die Küste erreichen und irgendwie über den Kanal gelangen …«
»Nein, wir müssen nach Poitiers. Ich schwor, die Königin zu schützen. Von diesem Eid wurde ich nicht entbunden.«
Er nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände. »Liebste, du musst an dein zweites Gelübde denken, das dich an die Abtei bindet. Du muss deine Mitschwestern warnen, damit sie besser vorbereitet sind, wenn der König seinen Zorn gegen die Abtei richtet.«
»Ich kann die Königin in die Abtei bringen, wo sie geschützt ist.«
»Eure Zahl ist zu gering verglichen mit den Truppen, die der König gegen das Kloster aufbieten kann.«
»Wir schworen, die Königin zu schützen. Keine Ordensschwester wird ihrem Gelübde untreu werden.«
»Dann wird keine den Angriff des Königs überleben.«
Mallory wandte sich ab. Er hatte recht. König Henry hatte kein Erbarmen gezeigt, als es darum ging, ganze Landstriche zu verwüsten. Er hatte befohlen, sie solle gefoltert und getötet werden, wiewohl sie ihm bereitwillig alles gesagt hätte, um die Königin zu retten.
Leise sagte sie: »Von Poitiers aus kann ich Nachricht nach St. Jude’s Abbey schicken. Es ist das Beste, was ich tun kann.«
»Dein Bestes ist mehr als genug.«
Sie strich über seinen starken Arm. »Ich hoffe, du hast recht.«
Saxon zog sein Schwert, als er mit Mallory die große Halle des Palastes betrat. Gerüchte, die ihnen bis nach Poitiers gefolgt waren, wollten wissen, dass König Henry sich bereits mit dem König von Frankreich getroffen hatte. Das mochte der Wahrheit entsprechen, da König Henry als fähiger Regent den Krieg auf dem Kontinent gewiss so rasch als möglich beenden wollte, um nach England zurückzukehren und dort seine rebellischen Untertanen niederzuwerfen sowie die Schotten nach Norden über die Grenze zurückzudrängen. Man munkelte aber auch,
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