Die Lady mit dem Bogen
die Gärten – bis jetzt, da er sich offenbar entschieden hat, Euch anzugehören.«
»Für einen Hund habe ich keine Zeit.«
»Er kann Euch bei Eurem Dienst von Nutzen sein.«
»Chance würde mich eher an meinem Dienst hindern.«
»Und ich finde, dass eine Chance oft meine Planungen stört.«
Ein so absurder Scherz, dass Mallory die Augen schloss und den Kopf schüttelte. Das war genau das Falsche, wie ihr klar wurde, als ihr Kopf so leicht wurde, dass sie glaubte, als eine der Wolken am Himmel zu schweben. Da Saxon sie nicht berührte, musste die Schwäche von ihr selbst ausgehen. Die Vorfreude auf das bevorstehende Treffen mit der Königin und der Kampfesmut, der ihrem Arm Kraft verliehen hatte, als sie den Bogen spannte, waren dahin. Jetzt hatte sie nicht mehr Energie wie ein nasser Lappen.
»Chance ist nicht der Einzige, der meine Planungen stört«, erwiderte sie und öffnete die Augen wieder. Sie wünschte, ihre Stimme hätte nicht so atemlos geklungen. »Die Comtesse schickte mich zu Bett, ich muss Euch bitten, mich zu entschuldigen.«
»Ich nehme an, Ihr findet zu Eurem Gemach zurück.«
»Natürlich. Ich …« Sie blickte um sich und stellte fest, dass sie sich nicht in dem Korridor befanden, durch den Saxon sie geführt hatte, als sie zu den Gemächern der Königin gingen. Dieser Korridor hatte eine Mauer, die von Fenstern unterbrochen wurde, die wie jenes in ihrem Gemach größer war als alle, die sie aus England kannte. In dem anderen Korridor hatte es nur ein einziges Fenster gegeben. Wo hatten sie die Richtung geändert? Einerlei. Sie war nicht sicher, wo sie war, und sie würde dies eingestehen müssen.
Als sie es tat, lächelte Saxon. »Das Innere des Palastes ist verwirrend, solange man keine Gelegenheit hat, ihn zu erkunden und zu sehen, welcher Gang wohin führt. Wenn Ihr wollt, zeige ich Euch gern die Treppe, von der aus Ihr es nicht weit zu Eurer Suite habt.«
»Danke.« Sie hängte den Bogen wie einen Kampfstock über die Schulter und folgte ihm den schmalen Gang entlang.
»Ich bin erleichtert zu sehen, dass der Bogen nicht mehr gespannt ist«, sagte er, als er am oberen Ende einer geschwungenen Treppe stehen blieb. »Jetzt brauche ich die Leute im Palast nicht zu warnen, dass sie sich zu erkennen geben müssen, wenn sie einen Raum betreten, in dem Ihr sein könntet.«
Mallory betrachtete ihn mit jenem eisigen Ausdruck, der bei ihrem Vater die beste Wirkung gezeitigt hatte, innerlich aber krampfte sich ihr Magen zusammen. Besaß er die teuflische Gabe, in ihr Inneres sehen zu können und ihre größten Schwächen zu erkennen? Um das Unbehagen zu verbergen, das dieser Gedanke hervorrief, fuhr sie ihn an: »Soll das etwa komisch sein?«
»Das dachte ich.«
»Ja, Ihr schon.« Noch mehr ärgerte sie, dass ihr unfehlbar wirkender finsterer Blick auf Saxon seine Wirkung verfehlte.
Er trat vor sie hin, ehe sie die Hand auf das als Handlauf dienende Seil legen konnte, das gewunden in die dunkle Tiefe führte. »Habt Ihr das als Beleidigung aufgefasst?«
»Ich fasste es als Wahrheit auf.« Sie bedeutete ihm beiseitezutreten. Sie war nicht sicher, ob sie um ihn herum gehen konnte, ohne hinzuschlagen. Sie wollte nicht, dass er sie so schwach sah. Und sie musste nach den Ereignissen im Gemach der Königin erst wieder ihre fünf Sinne sammeln. »Geht fort!«
»Mallory, seid Ihr sicher, dass Ihr …«
»Ich habe weder Zeit noch Interesse, dieses Gespräch fortzusetzen. Mich wundert nur, dass Euch der Sinn danach steht, da doch Eure Damen im Garten ungeduldig Eurer Rückkehr harren, damit Ihr sie wieder unterhalten könnt.«
»Sie werden warten.«
»Zweifellos mit angehaltenem Atem.«
Er lachte auf. »Meine teure Lady Mallory, Ihr wählt Eure Worte mit der Geschicklichkeit eines trouvère.«
»Eines was?«
»Eines fahrenden Spielmannes.« Er lächelte. »Troubadour dürfte der Ausdruck sein, der Euch eher vertraut ist. Habt Ihr jemals erwogen, Lieder und Geschichten zu dichten, um sie anderen vorzutragen?«
»Meine Gaben liegen auf anderen Gebieten.«
»Man kann vielfach talentiert sein.«
»Hört auf, mich herabzusetzen.«
Er wich zurück, sichtlich betroffen von ihrem giftigen Ton. »Ich wollte Euch nicht herabsetzen.«
»Nein?«
»Ich dachte, ich hätte Euch damit meine Bewunderung gezeigt.«
»Ich möchte weder Eure Bewunderung noch sonst etwas.« Sie drängte sich an ihm vorüber und ging die steile Wendeltreppe hinunter, ihr voran der tollende Hund.
Warum hatte Saxon ihre
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