Die Lady mit dem Bogen
»Autsch!«
Ruby fuhr herum und eilte ans Bett. »Was macht Ihr da? Tut Mylady ja nichts zu Leide.«
»Das habe ich nicht«, antwortete Saxon, und Mallory sagte im gleichen Atemzug: »Er hat mir nichts getan.«
»Danke, Mylady, für Euren Beistand.« Er verbeugte sich vor ihr.
Sie beachtete ihn nicht, als sie ihre Lage so veränderte, dass sie ihren Bogen unter ihrem Bein hervorziehen konnte. Sie lehnte ihn an den vom Kopfbrett aufragenden Bettpfosten. Dann ließ sie den Köcher von der Schulter gleiten und streckte sich, um ihn auf den Boden zu legen, worauf Benommenheit ihren Kopf überflutete.
Saxon nahm ihr den Köcher ab und legte ihr stützend die Hand auf die Schulter, um sie daran zu hindern, aus dem Bett zu fallen. Seine Berührung drohte ihr vollends den Rest zu geben, da seine Finger jenes Gefühl verursachten, das sie nicht benennen konnte. Es ließ sie erbeben, als wäre es in ihrem Blut und erfülle ihren ganzen Körper.
»Vorsicht«, sagte er. »Überlegt Euch, was Ihr tut, ehe Ihr Euch bewegt.«
Sie wollte ihm diese Ermahnung zurückgeben, dann aber hätte sie erklären müssen warum. Das musste sie vermeiden, weil er unberührt von der Erregung schien, die sie erfasst hatte. Deshalb sagte sie lieber gar nichts.
Als sie sich in die Kissen zurücksinken ließ, sprang Chance schweifwedelnd auf die Truhe am Fußende. Der Hund drehte sich auf der kleinen Fläche dreimal um die eigene Achse, rollte sich zusammen, die Schnauze auf den Pfoten, den Blick auf Mallory gerichtet. Auch als das Tier die Augen schloss, vermutete sie, dass es hellwach war.
»Ihr habt einen treuen Bewacher«, sagte Saxon, der sich auf die Bank setzte, die Ruby ihm angeboten hatte. Seine Laute stellte er auf den Boden daneben.
»Sieht so aus.«
»So gut bewacht könnt Ihr nun ausruhen, Mallory.«
»Das werde ich, sobald Ihr gegangen seid, falls Ihr nicht beabsichtigt, hier zu sitzen und mich anzustarren, wie Chance es tat.«
»Ich gehe, sobald Ihr mir eine Frage beantwortet habt.«
»Und die wäre?« Sie schwankte zwischen dem Verlangen, ihn wegzuschicken, und dem Wunsch, ihn zum Bleiben aufzufordern. Ging er jetzt, würde die Szene mit dem Boten und der Königin und dem Entsetzen, das sie bei beiden ausgelöst hatte, sie verfolgen. Blieb er, würde er sie weiterhin mit Fragen plagen. Sie war sicher, dass er sich nicht mit einer einzigen begnügen würde. Ging er, stand zu vermuten, dass Ruby eine genaue Schilderung der Geschehnisse verlangen würde, um die Wahrheit vom Gerücht zu trennen. Blieb er, konnte sie die Fragen der Dienerin hinauszögern. Ging er, würde seine erregende Berührung sie nicht in Versuchung führen, den Schwur zu vergessen, sich nie von einem Mann betören zu lassen. Blieb er, konnte er sie an sich ziehen und dann …
Sie brachte die Sehnsüchte ihres Körpers, der sie so schnöde im Stich gelassen hatte, zum Schweigen, indem sie sich in Erinnerung rief, wie er mit Lady Elita und den anderen Damen im Garten gesessen hatte, in amouröse Tändeleien vertieft, die sie nicht beherrschte und nicht lernen durfte.
»Ich sah«, sagte Saxon so leise, dass Ruby nur ein Raunen und keine einzelnen Worte vernehmen konnte, »dass die Damen der Königin, die Euch zu Eurer raschen Reaktion beglückwünschten, Euch verlegen machten. Warum? Ihr müsst weibliche Gesellschaft doch gewöhnt sein.«
»Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen behagt mir nicht.«
Seine Brauen senkten sich, und sie sah, wie sein verbindlicher Ausdruck einer gewissen Eindringlichkeit wich. »Wenn Ihr in der Abtei einen Pfeil so treffsicher abgeschossen habt, müssen Euch die Blicke aller gegolten haben.«
»Das ist anders.«
»Warum?«
»Ihr habt bereits eine Frage gestellt. Ihr sollt jetzt gehen.«
Als Saxon sich vorbeugte, verharrten seine Finger auf der Laute. Er streckte seine Hand nicht aus, damit Mallory nicht von ihm abrückte. Immer wenn er sie berührte, ob zufällig oder mit eindeutiger Absicht wie unten im Korridor, reagierte sie wie eine vor einer anschleichenden Katze flüchtende Maus. Auch eine in die Enge getriebene Maus würde sich umdrehen und zum Angriff übergehen, und dazu wollte er sie nicht zwingen. Jedenfalls nicht jetzt. Erst musste er herausfinden, wie sie sich in die kleine Gemeinschaft des Palastes einfügte. Dann würde er entscheiden, wie er mit der unerwarteten Komplikation, die sie darstellte, verfahren würde.
»Gewiss«, sagte er, »doch wundert mich, dass Ihr, eine Frau, die es mutig mit zwei
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