Die Lady mit dem Bogen
Tochter vertieft war. Er wollte Bertram keine Gelegenheit geben, Erstaunen in seiner Miene oder seinen Augen zu sehen.
Der Comte du Fresne! Der Mann spielte das gewagte Spiel des Verrats, indem er beiden Seiten Treue gelobte und seine Verbündeten wechselte, wann immer er die Gegenseite als stärker einschätzte. Er hatte König Henry dem Älteren vor einem knappen Jahr in eben diesem Palast den Treueid geleistet und geschworen, ihm mit Truppen beizustehen, sollte der rechtmäßige Herr über Aquitanien je bedroht werden. Andere hatten ähnliche Eide geleistet, und als sie sich gegen König Henry den Älteren erhoben, hatten sie offen davon gesprochen, den jungen Richard zu unterstützten, den seine Mutter zum nächsten Herzog von Aquitanien ausersehen hatte. Anders als die anderen hatte der Comte ausdrücklich König Henry dem Älteren Treue geschworen.
Saxon ließ Bertram weiterschwadronieren, notierte sich im Geiste die Namen, die er nannte, sowie jene, die er nicht nannte, wobei er sich fragte, ob der Bote immer so unbekümmert seine Meinung über die Männer äußerte, die für seinen König kämpften. Er selbst sagte nur das, was nötig war, um Bertrams Redefluss nicht versiegen zu lassen.
Lautes Gekicher war von der anderen Seite des Gemaches zu hören, und der Bote kniff die Lippen zusammen. Sein finsterer Blick galt der Gruppe der Frauen, freilich nicht allen, sondern nur Mallory, da er fragte: »Wer ist dieses Luder, das dies wagte?« Er hob seinen Ärmel, und der Stoff riss noch weiter.
»Warum lasst Ihr Euch die Laune von einer Frau verderben, die zufällig Euer Herz verfehlte, als sie einen Pfeil abschoss?«
Bertram wurde grau im Gesicht. »Ich glaubte nicht … will sagen, ich nahm an, sie verfehlte absichtlich ihr Ziel.«
Saxon deutete lachend auf die Frauen, die Mallory umdrängten und noch immer quiekten und zirpten wie eine Horde streitender Eichhörnchen. »Seht doch! Eine Labsal für die Augen und köstliche Gesellschaft für ein Stündchen in einem ganz privaten Nest.«
»Lady Mallorys Miene verrät, dass die Damen der Königin ihr mehr Unbehagen bereiten, als ich es je könnte.« Er lachte so herzhaft, dass sein Wanst hüpfte.
»Sieht so aus.« Saxon sah, dass Mallory sich am liebsten verkrochen hätte. Was war nur los mit ihr? Unter den Damen der Königin hätte sie sich wohlfühlen sollen, da sie ja auch im Kloster ein Leben unter Frauen führte. Stattdessen fragte er: »Gewiss, aber seht Ihr unter ihnen eine, die auch nur so tun könnte, als verfügte sie über kriegerische Fähigkeiten?«
»Wenn das so ist, warum gestattet die Königin dann Lady Mallory, in ihrer Gegenwart Pfeil und Bogen zu tragen?«
»Ich stelle die Entscheidungen der Königin nicht in Frage. Warum tut Ihr es?«
Der Bote beeilte sich zu versichern, dass er Worte oder Taten der Königin nie in Zweifel ziehen würde. Er setzte noch hinzu, dass die Königin für eine Frau sehr intelligent sei und das Vertrauen des jüngeren Königs und Prinz Richards sowie König Louis’ besäße.
Wieder ließ Saxon den Mann reden und hörte ihm mit halbem Ohr zu. Im Geiste wiederholte er alle Namen, die Bertram genannt hatte. Er wollte keinen einzigen vergessen, wenn er sie vor Freunden nannte, die ebenso großes Interesse an ihnen hatten wie er. Je länger die Rebellion dauerte, desto spannender wurde alles.
kapitel 5
D er Hund ließ nicht locker. Mallory hatte versucht, ihn mit dem Fuß und dem Bogen zurück in das Gemach der Königin zu scheuchen. Jeder sanfte Schubs aber schien die Hartnäckigkeit des Tieres zu steigern. Sie versuchte sogar so zu tun, als ignorierte sie ihn, doch rannte der Hund Mallory durch den langen gewundenen Gang voraus und hielt nur inne, um einen Duft zu erschnüffeln, der seine Nase reizte. Kaum aber war Mallory voran, jagte er ihr nach. Ein paar Schritte ging es nebeneinander, ehe das Tier wieder einem neuen Geruch nachsprang.
»Wo ist dein Herrchen?«, fragte sie den Hund.
Das Hündchen sah Mallory erwartungsvoll und mit hechelnder Zunge an.
»So schnell macht Ihr Euch schon davon?«, hörte sie Saxons Stimme hinter sich. »Ich hätte nicht gedacht, Ihr würdet Euch Eurer Pflicht, die Königin zu beschützen, so rasch entziehen.«
Mallory übertrug ihren Ärger wegen des Hundes auf Saxon, der noch ärgerniserregender war. »Die Comtesse entschuldigte mich. Ich solle der Ruhe pflegen, damit ich meinen Dienst morgen antreten kann.«
»Aber Ihr seid noch geblieben, nachdem sie zurückging, um
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