Die Lady mit dem Bogen
wusste?«
»Welche Weissagung?«
»Die Prophezeiung eines Einsiedlers in Cardiff, als der König von seinen Kriegen in Irland zurückkehrte.«
»Davon weiß ich nichts. Die einzige Weissagung, die ich kenne, ist die Sage von dem Llech-lafar genannten Stein und dass König Henry den Tod finden würde, wenn er nach dem Sieg über Strongbow in Irland auf ihn träte. Vor etwa einem Jahr machte in der Abtei eine dumme Geschichte von einem angeblich von Merlin ausgesprochenen Fluch die Runde.«
In seinen Augen blitzte Belustigung auf. »Nein, diese Prophezeiung meine ich nicht, doch klingt sie interessant. Eines Tages müsst Ihr mir mehr erzählen, denn aus dem Wenigen, das Ihr bereits gesagt habt, geht hervor, dass die Sage von Merlins Stein eine Geschichte zur Unterhaltung der Königin werden könnte.«
»Eine, die sie sehr gut kennt.«
»Ach?«
Mallory wich seinem Blick aus. Sie hatte schon zu viel gesagt und hätte fast ein Geheimnis verraten, das über die Mauern des Klosters nicht hinausdringen durfte. Niemand sollte etwas von den Fahrten wissen, die andere Schwestern im Auftrag der Königin unternommen hatten.
»Die Äbtissin erwähnte es vor mir«, sagte sie. Das war genug Wahrheit, ohne dass sie alles verraten musste.
Sich zu ihr beugend flüsterte er: »In Wales existieren viele merkwürdige Geschichten. Manche sind vermutlich nicht wahr, aber wer kann schon sagen, welche das sind? Ist die in Wales über König Henry den Älteren ausgesprochene Weissagung ein Hinweis auf Zukünftiges, oder geht es um gegenwärtige Ereignisse?«
»Ihr tut ganz so, als würdet Ihr diese Geschichten glauben.«
»Ein Troubadour lernt mit der Zeit, alles Gehörte zu beachten, da in jeder Geschichte ein Körnchen Wahrheit steckt, andernfalls die Geschichte nicht weitererzählt würde.«
Mallorys Ärger, den sie zu unterdrücken suchte, brach sich Bahn. »Wie könnt Ihr so viel reden, ohne etwas zu sagen? Ihr habt von einer Weissagung angefangen, und jetzt faselt ihr von allem Möglichen, nur nicht davon. Worum geht es bei dieser Prophezeiung?«
»Es beginnt damit, dass der König am Ostermorgen in Cardiff zur Messe ging. König Henry nahm an jenem hohen Feiertag nicht die Kommunion.«
Sie nickte. »Weil er zuvor die Beichte hätte ablegen müssen. Angeblich hat er seit Weihnachten vor zwei Jahren, also seit dem Mord an Erzbischof Thomas Becket in Canterbury, nicht mehr gebeichtet.«
»Ja«, sagte er ungeduldig – wegen ihrer Unterbrechung oder aus einem anderen Grund? »König Henry trat hinaus unter das Portal der Kirche und erblickte dort einen Greis. Der Alte begrüßte ihn mit kaum verständlicher Rede.«
»In Walisisch?«
»Nein, in Englisch. Sprecht Ihr es?«
Sie lehnte sich in die Kissen zurück und wünschte, sie hätte ihm diese Frage nie gestellt. Ihr Kopf dröhnte, sie war erschöpft, und sie hatte noch immer keine Ahnung gehabt, wie sie das Leben der Königin wirksam schützen sollte, als Eleanors Tochter sie fortgeschickt hatte, damit sie sich ausruhte. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Wollte die Comtesse nicht riskieren, dass Mallory mithörte, was der Bote des französischen Königs zu sagen hatte? Das ergab keinen Sinn, da Bertram der Bote gesagt hatte, er sei gehalten, die Nachricht der Königin persönlich zu übergeben. Es musste sich um ein Schreiben handeln.
Nichts ergab jetzt einen Sinn. Sie war an die Seite der Königin befohlen worden, um diese zu beschützen, und man hatte sie fortgeschickt, ehe sie einen weiteren schlimmen Fehler begehen konnte.
»Mallory?«, drängte Saxon. Als sie ihn anblickte, fragte er wieder: »Sprecht Ihr Englisch?«
»Nur ein paar Brocken«, sagte sie und schloss die Augen. »Einige Pächter meines Vaters sprechen Sächsisch.« Sie schlug die Augen auf und runzelte unter Schmerzen die Stirn. »Warum klingt Euer Name so ähnlich wie die alte Sprache Englands?«
Er tat ihr Frage mit einer Handbewegung ab. »Wisst Ihr was God houlde dhe, Cuning heißt?«, fragte er seinerseits.
»Ja, das hörte ich oft aus dem Mund der alten Pächter unserer Domäne. Es ist ein Segensspruch, mit dem man Gottes Segen für den König herabfleht.«
»Auf diese Weise begrüßte der Alte am Kirchenportal König Henry und Sir Philip de Mark, den einzigen seiner Ritter, der ihn zur Messe begleitete. Glücklicherweise«, seine Lippen verzogen sich zu einem ironischen Lächeln, »oder vielleicht unglücklicherweise konnte Sir Philip die Worte des alten Mannes übersetzen, die eine
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