Die Lady mit dem Bogen
nicht begegnen, während sie die halbe Wahrheit sagte. Die Damen waren weniger am Bogenschießen interessiert als daran, vor ihren Anbetern zu posieren. Für sie stand so gut wie fest, dass ihre Schülerinnen zum Versagen verdammt waren.
»Ihr seid eine geduldige Lehrerin.«
»Ich bemühe mich darum.« Sie registrierte, dass Chance knurrend in Richtung der Uferbäume blickte. Sie konnte sich nicht umdrehen und nachsehen, was den Hund beunruhigte, auch konnte sie Chance nicht schelten, während sie mit der Königin sprach. Sie legte die Hand auf den Kopf des Hundes und tätschelte ihn sanft, in der Hoffnung, das Tier von dem Eichhörnchen oder Hasen im Dickicht abzulenken.
Die Königin lächelte. »Lady Mallory, ich weiß, dass es Euch nicht leichtfällt, Euch in Poitiers einzuleben, aber Eure Bemühungen finden größte Anerkennung.«
»Danke.«
»Saxon, helft Ihr …«
Hinter Mallory ertönte ein leises Sirren, auf das sie eher instinktiv als bewusst reagierte. Ihren Bogen von sich werfend, packte sie den Arm der Königin und ließ sich ins Gras fallen. Rufe und Schreie kamen aus allen Richtungen, als die Königin neben ihr ins Gras sank.
Hände rissen sie von der Königin weg und richteten sie auf, während die Frauen schrien und kreischten. Der Hund kläffte wild. Ein Messer wurde ihr unters Kinn gehalten. Sie atmete ein, um zu sprechen, und spürte, wie die Klinge sie in die Kehle stach.
»Nicht!«, rief Saxon.
»Still, Troubadour!«, kläffte de Mauzé und hielt ein Schwert an Saxons Brust. »Sie griff die Königin an und wird nun erleben, was der Preis für diesen Verrat ist.«
»Ich wollte die Königin nicht angreifen«, hauchte Mallory. »Ich rettete ihr das Leben.« Sie starrte Saxon an, dessen Miene vor Wut und Enttäuschung verzerrt war.
»Verlogenes Luder!«, spie der Mann hinter ihr aus. »Das ist deine letzte Lüge!« Er neigte die Klinge so, dass sie sie sehen konnte, dann machte er Anstalten, ihr die Kehle durchzuschneiden.
»Nicht!« Es war die Stimme der Königin, die ebenso wütend klang wie jene Saxons. »Lasst Lady Mallory los! Sofort!«
Das Messer wurde von ihrer Kehle entfernt, doch versetzte Mangot ihr einen scharfen Stoß, der sie in die Knie zwang.
Eine Hand wurde ihr gereicht. Die Hand der Königin, wie ihr klar wurde, als sie die goldenen Ringe an den Fingern sah. Sie ergriff die Hand und richtete sich langsam auf. Feuchtigkeit lief ihr über den Hals, und sie wusste, dass sie blutete, doch wischte sie das Blut nicht ab.
»Erklärt Euch, Mylady«, forderte die Königin in unverändert zornigem Ton.
»Dürfte ich …« Sie zeigte hinter die Königin.
Königin Eleanor, deren Mund Anspannung verriet, nickte.
Mallory machte einen einzigen Schritt und geriet ins Taumeln. Insgeheim ihre Schwäche verwünschend, war sie erleichtert, als Saxon sagte: »Erlaubt, Lady Mallory.«
»Danke.« Wie die anderen sah sie ihm nach, als er über das Gras zu den Pfeilen lief.
Ein Pfeil war weit nach rechts geflogen, der andere aber war nicht weit hinter der Königin auf dem Boden gelandet. Niemand sagte ein Wort, bis er mit den Pfeilen zurückkam, von denen einer einen verbogenen Schaft hatte. Sie nahm die Pfeile entgegen und bog den geknickten, dessen Federn weiße Spitzen aufwiesen, gerade, ehe sie der Königin beide auf die Hand legte.
»Zwei Pfeile …« Königin Eleanor prüfte sie eingehend und sagte dann: »Ich wüsste nicht, Lady Mallory, was es mit diesen Pfeilen auf sich hat.«
»Meine Schülerinnen waren noch nicht so weit, dass sie Pfeile hätten abschießen können, deshalb brachte ich heute keine mit aufs Feld. Eine der Damen hatte in ihrer Begeisterung zwei dabei, beide aber liegen hier auf dem Boden, und Ihr seht, dass sie aus Meister Ivons Hand stammen. Die beiden, die Ihr jetzt in der Hand haltet, sind nicht von ihm, da sie nicht die grauen Gänsefedern tragen, die er benutzt. Ich hörte die Pfeile auf uns zufliegen.« Sie begegnete dem Blick der Königin ganz ruhig. »Auf Euch zufliegen. Euch zu warnen, war keine Zeit, deshalb tat ich das einzig Mögliche. Sollte ich Euch durch mein Verhalten irgendwie verletzt haben, bedaure ich es zutiefst.«
»Es sieht aus, als hättet Ihr mir das Leben gerettet, meine Liebe. Das werde ich niemals vergessen.«
»Wenn ich mir die Kühnheit erlauben darf, Königin Eleanor, dann schlage ich vor, dass Ihr innerhalb der Stadtmauern bleibt, wo Ihr sicherer seid.«
»Ein kluger Rat.« Sie gab Mallory die Pfeile zurück. »Ich vertraue
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