Die Lady mit dem Bogen
darauf, dass Ihr mir meldet, wenn Ihr mehr über diesen Zwischenfall in Erfahrung bringt.« Sie bedeutete ihren Begleitern, die beleidigt schienen, ihr zu folgen und ging ihnen zur Stadtmauer voraus, so ruhig, als wäre nichts geschehen. Die Frauen liefen ihnen nach.
Saxon drehte die Pfeile auf ihrer Hand um. »Ihr habt gehört, wie die Pfeile durch die Luft sausten?«
»Chance warnte mich.« Sie zeigte auf den Hund, der unter den Bäumen herumschnüffelte. »Er knurrte und guckte in diese Richtung. Zuerst schenkte ich ihm keine Beachtung, dann vernahm ich ein leises, oft gehörtes Geräusch.«
»Ein Geräusch, dass nur ein geübter Bogenschütze erkennen würde.«
»Und der Schütze, der diesen Pfeil abschoss« – sie hob den geknickten hoch – »war nicht geübt, weil der Pfeil weit ins Abseits fiel.« Sie furchte die Stirn. »Sonderbar.«
»Was denn?«
»Die zwei Pfeile schienen derselben Flugbahn zu folgen, als wären sie vom gleichen Bogen abschossen worden.«
»Ist das möglich?«
Sie strich mit dem Finger über den Bogen. »Das glaube ich nicht. In meinen Anfängen versuchte ich, zwei Pfeile zugleich abzuschießen. Es ging nicht.«
»Wenn es Euch nicht glückte, steht zu bezweifeln, ob es ein anderer könnte.« Er starrte den Hund an und seufzte. »Die Verfolgung aufzunehmen ist sinnlos. Die zwei Männer, die die Pfeile abschossen, fanden inzwischen bestimmt ein sicheres Versteck.«
»Ja, aber wir sind gewarnt. Diejenigen, die der Königin nach dem Leben trachten, sind sehr wagemutig.«
»Das müssen sie auch sein, wenn die Königin so gut bewacht wird. Ich möchte wissen, wer die Pfeile abschoss.«
»Die Federn zeigen weiße Spitzen. Der Bote des französischen Königs hatte in seinem Köcher Pfeile mit weißen Federn.«
»König Louis, der ehemalige Gemahl der Königin und gegenwärtige Verbündete, soll hinter diesem Anschlag stehen?«
Sie schüttelte vorsichtig den Kopf und versuchte, den brennenden Schmerz zu ignorieren, den ihr die Schnittwunde am Hals bereitete. »Ich sage nur, dass Bertrams Pfeile und diese hier weiße Federn tragen. Vielleicht will man den Verdacht auf König Louis lenken, oder er steckt tatsächlich dahinter.«
»Wir sind also einer Antwort nicht nähergekommen, was die Identität der Schützen betrifft.«
»Nein.« Sie zuckte zusammen, als sie wieder den Kopf schüttelte.
Er sah sie ernst an. »Mallory, das ist ein tiefer Schnitt. Ihr solltet Euch heilkundigen Händen anvertrauen, bevor er sich entzündet.«
»Das werde ich.« Sie bückte sich nach ihrem Bogen.
Saxons Hand auf ihrem Arm hinderte sie daran. Sie nahm Haltung an und hielt seinem Blick stand. Als die Pfeile ihrer Hand entglitten und zu Boden fielen, legte sich sein Arm um ihre Taille, und er zog sie an sich. Sein Mund bedeckte ihren, ehe sie etwas einwenden konnte. Sein Kuss, weder rasch noch flüchtig, wurde tiefer, bis ihre Lippen nachgaben. Als seine Zunge in ihren Mund glitt und sie auf ungeahnte Weise streichelte, schlang sie die Arme um seinen Rücken und spreizte die Finger über Muskeln, die ihr für einen Troubadour zu kraftvoll erschienen. Doch kümmerte es sie nicht, ob er für die Königin sang oder auf einem mächtigen Ross übers Schlachtfeld sprengte. Sie wollte nur, dass der Kuss niemals enden sollte, während ihre Fingerspitzen durch sein lohfarbenes Haar glitten.
Sein Mund löste sich, und sie wollte protestieren, doch hielt sie damit zurück, als seine Zunge die Rundung ihres Ohres umspielte. Als sie wollüstig stöhnte, traf sein leises Auflachen sie mit der Geschwindigkeit eines ins Schwarze treffenden Pfeils ins Innerste. Sie neigte den Kopf, damit er sie hinter dem Ohr küssen konnte, aber der Schmerz ließ sie erstarren.
»Verzeih«, flüsterte sie, »doch schmerzt es, wenn ich den Kopf so bewege.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.« Er trat zurück und bückte sich nach ihrem Bogen und den auf die Königin abgeschossenen Pfeilen. Er hielt sie in einer Hand während er dem Hund pfiff und bot er ihr die zweite Hand. »Ich bringe dich zur Heilkundigen, die den Palast versorgt. Eudes wird sich um deine Wunde kümmern.« Mit einem verführerischen Lächeln murmelte er: »Und dann möchte ich mich um den Rest kümmern.«
Als er ihr einen raschen Kuss gab, überlief sie unwillkürlich ein Schauer. Sie konnte nicht unterscheiden, ob es Vorfreude auf weitere Wonnen war oder Angst, weil sie zuließ, dass ihr Leben sich mit dem eines Mannes verwob, der wie ihr Vater mit
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