Die Lady mit dem Bogen
Kunst als Bogenschützin ausspreche?«
Sie wusste, dass sie es nicht hätte tun sollen, doch blickte sie ihn an. Er saß vorgebeugt da, die Finger zwischen den Knien verschränkt. So eng saßen sie beisammen, dass sie die Hand hätte ausstrecken und seine Wange umfassen können. Ihre Fingerspitzen bebten vor Verlangen, es zu tun, und sie fragte sich, ob er seine Finger so verschränkt hielt, um sich daran zu hindern, sie zu berühren.
»Danke«, sagte sie. »Und Ihr seid ein guter Troubadour, Saxon. Alle in der Halle lauschten hingerissen.«
»Auch Ihr?«
»Ja.«
»Ihr seid aber mitten in meinem lai auf und davon.«
»Ich wollte mit dem Bogenmacher über die Pfeile sprechen, die der Königin galten. Ich hielt die Zeit für günstig, da alle beschäftigt waren und mich niemand vermissen würde.«
»Und?«
Sie lächelte kühl. »Und ich wollte mir durch den Kopf gehen lassen, warum Ihr so tut, als wäret Ihr ein Troubadour, Saxon.«
»Ich tue nicht so.« Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. »Ich bin ein Troubadour.«
»Und?«, fragte sie, wie er es getan hatte.
»Ich diene der Königin als einer ihrer Beschützer.«
Mallory schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht, als sie wieder vom Wasser benetzt wurde. »Aber warum sollte Königin Eleanor einen Troubadour um diesen Dienst bitten?«
»Als Dichter bin ich gewohnt, meine Umgebung zu beobachten, auf der Suche nach allerlei Absonderlichkeiten, die sich in meine Geschichten einfügen lassen. Gleichzeitig habe ich auf ihre Bitte hin ihre Höflinge genau im Auge behalten, um zu sehen, ob jemand durch ungewohntes Verhalten auffällt – kurzum, ich halte Ausschau nach allem, was auf Verrat hinweisen könnte. Wie Ihr selbst wisst, hat Königin Eleanor oft Ideen, die aus dem Rahmen des Normalen fallen können.«
»Zum Beispiel?«
»Sie gründete St. Jude’s Abbey und ließ die Ordensschwestern in der ritterlichen Kampfkunst unterweisen.«
Sie ließ sich gegen die Wand fallen und nickte. Diese Tatsache konnte sie nicht bestreiten. »Wäre mein Verstand nicht durch die Diskurse in der großen Halle abgestumpft worden, wäre mir dies nicht entgangen.«
»Ihr seid vielleicht der einzige Mensch in Poitiers, der Liebe für langweilig hält.«
»Ich sagte nicht, dass ich Liebe langweilig finde. Ich sagte, dass ich die Konversation langweilig fand.«
»Stimmt. Ihr sagtet, Liebe sei …« Er tippte auf sein Kinn. »Wie nanntet Ihr die Liebe? Eine lästige Notwendigkeit, glaube ich.«
»Und wie würdet Ihr sie nennen?«
»Herrlich und die Seele aufwühlend.«
Ihr Lachen war kühl. »Das war zu erwarten, da Ihr die Damen und ihre Begleiter mit Euren Geschichten von kühnen Rittern ergötzt, die für ein Lächeln ihrer Angebeteten gewillt sind, alles hinzugeben, außer ihrer Ehre.«
»Manchmal ist ein Lächeln alles, was ein Ritter erhoffen darf.«
»Das ist albern.«
»Wirklich? Ich bin ein zweiter Sohn. Wie allen jüngeren Söhnen bleibt mir eine Ehe versagt, wenn ich keine reiche Witwe finde oder zu so viel Ruhm gelange, dass ich die Hand einer Tochter mit reicher Mitgift erringe.«
»Wenn aber ein jüngerer Sohn heiratet, könnte er einen Sohn in die Welt setzen, der zu Unrecht den Anspruch des rechtmäßigen Erben bestreitet.«
»Solche Herausforderungen sind wohl nicht auf die Söhne jüngerer Söhne beschränkt, oder? Sie kommen in vielen Familien vor, in gemeinen wie königlichen.«
Sie runzelte die Stirn. »Ihr redet wie ein Mann des Königs.«
»Das bin ich.«
»König Henrys des Älteren, meine ich.«
»Ich weiß, was Ihr meint, und Ihr wisst, dass mir das Wohl der Königin am Herzen liegt.« Er runzelte die Stirn. »Das ist doch so, oder?«
»Ja«, sagte sie, während sie die Stimme der Königin zu hören vermeinte. Wenn er nicht Laute spielt oder ein Gedicht vorträgt, kann man seiner Aufrichtigkeit sicher sein.
»Das freut mich zu hören.« Er stand auf, um aus der Schießscharte zu spähen, als wieder ein Blitz eine gezackte Linie über den Himmel zog. »Sieht aus, als würden wir hier eine Weile feststecken.« Er nahm die Laute vom Rücken. »Soll ich die Geschichte zu Ende vortragen?«
»Das würde mir gefallen.« Es war die Wahrheit. Ehe ihre Unruhe sie aus der Halle trieb, hatte ihr die Geschichte von Garwaf, dem Werwolf-Baron, sehr gefallen. »Nahm der arme Lord jemals wieder Menschengestalt an?«
Er kniete neben ihr nieder und streckte ihr die Laute entgegen. »Warum sagt Ihr mir nicht, was Eurer Meinung nach
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