Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
hinter Christian Lord de l’Isle. Was für eine sonderbare Prozession durch die Halle! »Sicher wüsstet Ihr jetzt ein Gespräch mit unserem Gastgeber bei einem kräftigen Trunk zu schätzen.«
»Unsinn. Ich bin für Guy verantwortlich. Er muss auch hungrig sein.«
»Seine Wunde muss gesäubert werden«, sagte sie.
Guy rief von der Tür her: »Ich habe Baldwins ungeschicktes Hantieren satt.« Während er aufstöhnte, dass es in der ganzen Halle zu hören war, beobachtete er sie und Christian aus einem halb geöffneten Auge. »Lass mich eine sanftere Hand genießen, Bruder.«
Leise sagte Christian: »Avisa, ein Streit mit Guy bringt jetzt nichts.«
»Geht und setzt Euch zu Lord de l’Isle, während ich mich um Guy kümmere.«
»Ich sollte …«
»Ihr müsst ihm von dem Überfall berichten. Räuber kennen keine Herrschaftsgrenzen. Seine Pächter könnten gefährdet sein.«
Sie glaubte schon, er würde sich auf einen Wortwechsel einlassen, doch dann nickte er mit sichtlicher Überwindung. »Es wird nicht lange dauern.«
»Gut. Nachdem Ihr unserem Gastgeber alles genau berichtet und den Reisestaub aus Eurer Kehle gespült habt, bringt Ihr uns das Abendessen.«
»Avisa, das Befehlen fällt Euch leicht.«
»Wenn ich weiß, dass ich es am besten weiß.«
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Euer Befehl ist die zweitbeste Idee, die ich seit langem hörte.«
»Und was war die beste?«
Seine Finger glitten über ihre Wange. Die Glut, die sie am Abend zuvor am Bachufer gesehen hatte, als er sie umfangen hielt, loderte nun in seinen Augen. »Fragt nicht, wenn Ihr nicht wirklich wollt, dass ich antworte.«
Sagt es! Sie schluckte hart und ließ die Worte nicht über die Lippen, als sie Guy und Baldwin nachlief. Noch nie hatte jemand sie einzuschüchtern vermocht, weder mit Schwert noch Knüppel, doch seine begierigen Augen weckten Empfindungen, wie sie sie nie zuvor gekannt hatte.
Eine davon war Furcht.
5
»Reicht das?«, fragte Lord de l’Isles stämmiger Bedienter, als er die schwere Tür aufschwingen ließ.
Avisa spähte hinein und nickte. Anders als im vorigen Raum, in den man sie gebracht hatte, war hier der Steinboden gefegt. Das Gemach war zwar kleiner, aber behaglicher. Jemand hatte Feuer gemacht, und der Balken des einzigen Fensters, tief in die dicke Mauer eingelassen, war gegen die Kälte geschlossen. Bis jetzt war sie nicht sicher gewesen, ob Lord de l’Isles Gastfreundschaft aufrichtig war, da er die Lovells nicht so empfangen hatte, wie sie es erwartet hätte. Die eisige Begrüßung des Barons war ihr unerklärlich. Von seinen Leuten würde sie nichts erfahren – ihr Diensteid forderte, die Geheimnisse ihres Herrn zu hüten -, deshalb musste sie warten und Christian fragen.
Sie schluckte ihre Gereiztheit hinunter und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Raum zu. Die Einrichtung bestand aus einer leeren Truhe und einem einfachen Bett ohne Vorhänge. Es gab zwei weitere Türen. Von der einen her kamen Gerüche, die verrieten, dass sie zum Abtritt führen musste. Nach allem, was sie in der Halle gesehen hatte, war sie erstaunt, dieses Örtchen hier vorzufinden.
Die andere Tür führte in eine noch kleinere Kammer. Ein Strohsack lag in einer Ecke. Ein Betstuhl war in der Finsternis kaum sichtbar, und sie fragte sich, ob man ihnen das Gemach des Hausgeistlichen gegeben hatte.
Sie war nahe daran, die Männer um einen anderen Raum zu bitten, als Guy wieder stöhnte, was er schon während des langsamen Aufstiegs auf der Wendeltreppe ständig getan hatte.
Sie selbst hatte während des Aufstiegs mühsam ihre Fassung wiedererlangt. Hatte sie Furcht? Von Christian hatte sie nichts zu befürchten – außer, dass er die Wahrheit herausfinden konnte.
Avisa trat beiseite, als die Männer de l’Isles sich abmühten, Guy durch die Tür zu helfen. Wäre sie von den langen Stunden im Sattel nicht so erschöpft und schmerzgeplagt gewesen, hätte sie es komisch gefunden zu sehen, wie sie sich mit Köpfen und Schultern in der engen Kammer drängten. Guy war so jämmerlicher Laune, dass sie fast erwartete, die Männer würden ihn auf den Boden fallen lassen und das Weite suchen.
»Danke«, sagte sie aufrichtig zu den zwei Helfern. »Baldwin, hilf du jetzt Guy.« Der Junge stellte Bogen und Köcher neben dem Kamin ab und bedachte sie mit einem Lächeln, ehe er sich daran machte, dem Bruder seines Herrn zu Diensten zu sein. Sie wusste das Lächeln des Jungen nicht zu deuten, hoffte aber, es wollte ihr zu
Weitere Kostenlose Bücher