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Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)

Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)

Titel: Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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schenkte Avisa seinen Worten keine Beachtung. Sie bedeutete Baldwin, Guys Bein anzuheben und den Verband unterhalb aufzurollen, und schnappte nach Luft, als Guy ihre Hand packte.
    »Ihr könntet dies alles unterhaltsamer gestalten«, sagte Guy, mit dem Daumen über ihre Handfläche streichend.
    »Ein ausgezeichneter Vorschlag.«
    Seine Augen wurden groß. »Wirklich?«
    »Wirklich. Warum versuchen wir nicht ein Spiel?« In Nachahmung des Tons einer Schankmagd in dem Wirtshaus, in dem sie Rast gemacht hatten, senkte sie die Stimme zu einem atemlosen Flüstern. »Wollt Ihr ein Spiel machen, Guy?«
    »Wenn Ihr mitspielt, holde Avisa.«
    »Aber gewiss.«
    »Und wie geht das Spiel?«
    »Es beginnt damit, dass Ihr möglichst lange den Mund haltet.« Sie hoffte, ihr Lächeln würde einladend wirken. »Hinausgezögertes Vergnügen ist doppelt so schön.«
    »Warum sollte ich mir überhaupt ein Vergnügen mit Euch versagen, holde Avisa?« Er wollte nach ihr fassen und fiel auf seine Ellbogen zurück. »Gib Acht, du Tölpel!«
    Baldwin ließ sich beim Aufrollen der Bandagen nicht stören.
    Avisa vermutete, dass der Page Guys Beschimpfungen gewohnt war. Sie hoffte nur, Guy hätte das Zwinkern in den Augen des Pagen nicht gesehen. Wieder befeuchtete sie den Verband, wo die Schichten verklebt waren.
    Guy schrie auf.
    Avisa betete um Geduld, nicht nur für Guy, sondern für sich selbst. Es musste eine andere Möglichkeit geben, den Verband zu lösen, ohne dass er schrie. Sie stellte ihren rechten Fuß aufs Bett und griff nach ihrem Kleidsaum. Als Guy seine Lage veränderte, hielt sie inne. Sie wusste, dass er einen besseren Blick auf ihr hochgeschobenes Kleid haben wollte.
    Sich umwendend hob sie den Stoff just so hoch, um den Dolche hervorziehen zu können, den sie am rechten Bein befestigt trug. Die Klinge fühlte sich niemals so gut in ihrer Hand an wie ihr Schwert, wenn auch der Griff dieselben schlichten Verzierungen trug. Vielleicht lag es am unterschiedlichen Gewicht der Waffen. Ihr Schwert erforderte vollen Körpereinsatz, wenn sie es schwang, während beim Messer nur ihr Arm zum Einsatz kam, was ihrem Gefühl nach als Schutz nicht ausreichte, wenn sie einem Gegner gegenüberstand.
    Sie strich ihr Kleid glatt und bedeutete Baldwin, er solle ihr Platz machen. Dann ging sie daran, vorsichtig den Verband aufzuschneiden.
    »Was für Überraschungen stecken sonst noch unter Eurem Rock?«, wollte Guy wissen.
    »Ich dachte, Ihr würdet den Mund halten.« Sie legte das Messer neben den Beutel auf das Bett. Als sie den zerschnittenen Verband von der Haut löste, erschrak sie.
    Der nicht ausgebrannte Bereich um die Wunde war gerötet, die Wucht des Pfeiles hatte die Haut buchstäblich zerfetzt. Baldwin deutete auf eine zweite, kleinere Wunde, die die Pfeilspitze in Guys Haut gebohrt hatte. Das alles wunderte sie nicht, ehrlich erstaunt aber war sie, als sie sah, dass die Wunde offen war.
    »Du hast die Wundränder nicht genäht«, sagte Avisa.
    »Nein.« Baldwin warf das Verbandszeug ins Feuer.
    »Warum nicht? Du hast genug Faden, um diese und viele andere Wunden zu nähen.«
    »Hoffentlich brauchen wir keinen Faden mehr«, sagte Christian.
    Er stand so dicht hinter ihr, dass sie fast die Teller aus seiner Hand geschlagen hätte, als sie herumfuhr. Sie trat einen Schritt zurück und stieß gegen den Pagen, der sich beeilte, ihr auszuweichen.
    »Herrjeh, Bruder!«, ächzte Guy, der sich auf die Ellbogen stützte. »Was machst du ausgerechnet jetzt hier?«
    »Ich wollte sehen, wie es dir geht, und unser Abendessen bringen.« Er übergab Baldwin die Gefäße, der sie neben den Kamin stellte, und rührte sich nicht, damit Avisa an ihm vorüberschlüpfen konnte. »Berichtet, Avisa.«
    Obwohl ihr der Ton missfiel, den er annahm, wenn er mit ihr sprach, als hätte sie nicht mehr Erfahrung als der junge Baldwin, war sie froh, ihn zu sehen. In Gegenwart seines Bruders müsste sie sich Guys anzügliche Bemerkungen nicht mehr gefallen lassen. Das hoffte sie jedenfalls.
    Das war auch der Grund, weshalb ihr Herz gegen die Rippen hämmerte wie ein Gefangener, der Befreiung aus seiner Zelle fordert. Sie war dessen sicher, doch als Christians Blick über ihr Gesicht glitt, fiel ihr ein, wie seine Lippen dasselbe getan hatten. Ihre Finger zitterten, so stark musste sie sich zurückhalten, nicht über seine breite Brust zu streichen.
    Du gehörst St. Jude’s Abbey. Das darfst du nie vergessen. Niemals. Vielleicht könnte sie der Versuchung dieser

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