Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
Raum hinter der Tür war fast das Ebenbild dessen, in dem sie seinen Bruder und Baldwin zurückgelassen hatte. Das Feuer im Kamin musste eben erst entfacht worden sein, weil noch Kälte in der Luft hing.
Sie wusste, dass sie warten sollte, bis er etwas sagte, doch sie konnte sich nicht zurückhalten. »Setzt Euch und zieht den Stiefel aus«, riet sie ihm. »Euer Knöchel muss behandelt werden.«
»Es ist nichts.«
»Warum hinkt Ihr dann?«
Er lächelte entwaffnend. »Avisa, Ihr habt für einen Frau zu viel Verstand.«
»Sicher ist diese Beleidigung als Kompliment aufzufassen.«
»Sie ist als Tatsache aufzufassen.« Er ließ sich vorsichtig am Kamin nieder und zog den Stiefel aus, den er seitlich hinstellte.
Als Avisa vorsichtig die Finger ausstreckte, um die Schwellung am Knöchel zu untersuchen, fasste er nach ihrer Linken und zog sie fort.
»Woher habt Ihr den Ring?«, fragte er.
»Guy bestand darauf, dass ich ihn trage.« Sie zerrte wieder daran, doch der Ring schien an ihrem Finger festgewachsen zu sein.
»Mein Bruder ist ein großzügiger Mensch.«
Auf diese in scharfem Ton geäußerten Worte hin blickte sie auf und sah in sein angespanntes Gesicht. »Wie dem auch sei, ich bin nicht so großzügig.«
»Das freut mich zu hören.«
Da sie nicht in dem Gefühlswirbel in seinen Augen versinken wollte, wich sie seinem Blick aus und tastete die Schwellung an seinem Fuß ab. Dass es so schlimm war, hatte sie nicht vermutet. Bis auf sein Hinken und ein gelegentliches Zusammenpressen der Lippen hatte er sich nichts anmerken lassen.
»Ich nehme an, dass ich es überleben werde.« Sein Auflachen klang schmerzlich.
»Ihr solltet nicht stehen.«
»Ich saß den Großteil des Tages, wie Ihr sicher wisst.«
Das wusste sie allerdings. Der Tag war zwar nur kurz, doch die Zeit war so langsam vergangen, dass sie geschworen hätte, die Sonne hätte so lange am Himmel gestanden wie zur Sommersonnenwende. Bei jeder Bewegung des Pferdes war sie an seine starke Brust gedrückt worden. Seine an das Pferd gepressten Schenkel hatten sich unter ihr in einem Rhythmus bewegt, der die sonderbarsten und unbeherrschbarsten Gefühle in ihr weckte. Als sie sich beim Durchqueren eines Wasserlaufes an seine Arme klammerte, waren diese so unnachgiebig wie die Bäume, die das Ufer bestanden. Ebenso waren ihr die Gerüche des Wintertages im Gedächtnis geblieben, in die sich sein warmer moschusartiger Duft mischte, wenn er seinen Umhang um sie legte, um sie vor dem Wind zu schützen.
Sie stand auf und ging an die Liegestatt. Dabei achtete sie darauf, ihm den Rücken zuzuwenden, als sie den Dolch herauszog und den groben Stoff über dem Stroh aufschnitt. Als sie ein paar armlange Streifen beisammenhatte, legte sie das Messer hin und trug das Verbandszeug zu Christian. Der Umstand, dass er sie nicht mit Fragen plagte oder alles, was sie sagte oder tat, kommentierte, verriet ihr, dass er jetzt noch größere Schmerzen hatte.
Sie kniete nieder und hielt seine Ferse über ihrem Knie fest. Wie Schwester Helvige es ihr gezeigt hatte, die der Vorratsund Arzneikammer vorstand und sich um Kranke und Verletzte kümmerte, wickelte sie die Streifen um seinen Knöchel, fest genug, dass er Halt hatte, aber nicht so fest, dass das Blut abgeschnürt wurde.
Als er ihre Kopfbänder löste, fiel ihr Haar vor und streifte sein Bein. Sie versuchte es aus dem Gesicht zu streichen.
»Warum macht Ihr das?«, fragte sie scharf.
»Eure schönen Locken sollten nicht verborgen bleiben.«
Sie fasste eine Hand voll Haare, die dem Zopf entkommen waren, und warf sie über die Schulter. »Denkt lieber an Euren Knöchel und nicht an mein Haar.«
»An etwas anderes zu denken, hilft mir, den Schmerz zu vergessen.«
»Ach?« Sie blickte auf. Ein Fehler, wie sie sofort merkte, da er ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger fing.
»Vielleicht ist es Eure Berührung, die den Schmerz lindert.« Ihre andere Hand anhebend, drückte er seinen Mund auf ihre Handfläche.
Sie zuckte zurück, als ein Blitz ihren Arm durchschoss. Christian ließ ihre Finger nicht los.
»Eure Hand verrät, dass Ihr härtere Arbeit gewohnt seid als die meisten Damen«, murmelte er, als er ihren Finger entlangfuhr.
»Ich kann nicht über etwas streiten, von dem ich viel weniger verstehe als Ihr.«
Er lachte leise. »Wie ich sehe, habt Ihr auf alles eine Antwort.«
Ihm zum Trotz antwortete sie nicht mehr. Sie entzog ihm ihr Kinn und beugte sich über ihre Aufgabe. Als sie fertig war, stellte
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