Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
seinem Kittel, und dann starrte er sie mit offenem Mund an. Das Raunen seiner Kumpane hinter ihm verriet Missfallen.
Da wurde ihr Arm von links gepackt, sie wurde beiseitegeschoben. Sie wollte mit ihrem Schwert ausholen und hielt inne, als sie merkte, dass nun Christian zwischen ihr und den Männern stand.
»Hiergeblieben!«, befahl er, sein Schwert hebend, dessen Spitze rot war. Blut drang aus einem Riss in seinem linken Ärmel. Blut war über seinen Kittel verspritzt. Ob es sein eigenes war, konnte sie nicht erkennen.
Die Männer wichen einen Schritt zurück, bildeten eine Mauer aus ihren klirrenden Schilden und traten den Rückzug an.
Sie sagte: »Ich kann …«
»Hiergeblieben! Baldwin, sorg dafür, dass sie sich nicht von der Stelle rührt.«
Sie versuchte es von neuem. »Christian, ich kann …«
»Bleibt hier bei Baldwin.« Er sah sie nur eine Sekunde an.
Sie nickte, da ihr nun klar war, dass es ihm vor allem um die Sicherheit des Jungen ging.
»Guy, zu mir her!«, rief er und stürzte auf den Bärtigen zu, der die Straße entlang flüchtete.
Ein Speer traf den Baum nur wenige Zoll von Baldwins Kopf entfernt. Er duckte sich mit einem erschrockenen Aufschrei.
Avisa zog ihr Messer mit einem Ruck aus dem Baumstamm, steckte ihr Schwert in die Scheide und zerrte den Jungen ins Gebüsch. Dornige Ranken rissen an Kleidern und Haut, doch sie ließ sich nicht beirren. Baldwin war noch ein halbes Kind ohne jede Kampferfahrung. Im Moment würde er nur im Weg stehen.
Ein Pfeil sauste über ihre Köpfe hinweg, gefolgt von einem zweiten. Wenn Guy zu seinem Bogen gegriffen hatte, würde er sie alle in Gefahr bringen.
»Bist du verletzt?«, fragte sie.
Baldwin schüttelte verneinend den Kopf.
»Gut. Bleib hier.« Sie drängte sich an ihm vorüber.
»Ihr könnt nicht gehen.«
Sie zuckte zusammen, als sie den dumpfen Aufprall einer Faust auf Fleisch hörte. Durch das Geäst spähend, sah sie einen Mann rücklings taumeln und zusammenbrechen. Andere sprangen schreiend auf einen Mann zu, der noch auf den Beinen war. Gelächter, grausam und von pervertiertem Vergnügen vergiftet, wirbelte durch die Schatten, als sie den Mann umschwärmten.
»Christian!«, schrie Avisa.
Als sie aufspringen wollte, packte Baldwin ihren Arm. Sie befreite sich mit einer jähen Bewegung, die sie mit Nariko so oft geübt hatte, bis sie ihr in Fleisch und Blut übergegangen war. Er starrte sie ungläubig an.
»Ihr könnt nicht gehen!«, rief Baldwin.
»Er braucht meine Hilfe.«
»Er sagte, Ihr solltet hierbleiben und ich dürfe Euch nicht gehen lassen.«
»Aber er braucht meine Hilfe!«
Sie packte ihn vorne an seinem Gewand und schüttelte ihn so heftig, dass die Zweige hinter ihm knisterten. »Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, so stur zu sein wie Christian. Willst du ihn sterben lassen, damit du sagen kannst, du hättest seinen Befehl befolgt? Was nützt es, wenn du diese Worte an seinem Grab sprichst.«
Er stammelte eine Antwort.
Avisa hörte nicht zu. Mit der Anweisung, er solle bleiben, wo er war, kroch sie aus dem Gebüsch. Sie hatte keine Ahnung, ob er gehorchen würde. Es war keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
In der tiefer werdenden Dunkelheit spähte sie nach beiden Richtungen die Straße entlang. Die Pferde waren verschwunden. Kein Wunder, da sie für die Räuber reiche Beute darstellten. Sie zuckte zusammen. Hätte sie nicht versucht, es Christian heimzuzahlen, weil er ihr Schwert genommen hatte, wäre sie besser darauf vorbereitet gewesen, die Angreifer abzuwehren.
Zu ihrer Linken bewegte sich etwas. Jemand war auf der Straße. Jemand hielt auf sie zu. Ihr Schwert sang, als sie es zog, ein Geräusch, das eine Woge der Kraft in ihr auslöste.
»Wer seid Ihr?«, rief sie.
»Still, Avisa!«
Sie erkannte den missmutigen Ton. »Guy!« Sie lief zu ihm, stützte ihn mit ihrem Arm und führte ihn ins Gebüsch.
Er fiel auf die Knie. Zwischen seinen Fingern, die er an den Kopf drückte, drang Blut hervor. Sein Bogen war verschwunden, der Köcher leer. Sie fragte sich, ob er mit seinen Pfeilen jemanden getroffen hatte.
»Wo ist Christian?«, fragte sie, als sie sah, dass Baldwin aus dem Gebüsch herausspähte.
»Er kämpft.«
»Ihr lasst ihn allein kämpfen?« Sie blieb stehen. »Wo?«
Er deutete zur Straße.
Im schwachen Licht sah Avisa zwei Männer, die versuchten, jemanden in den Wald zu zerren, der sich heftig zur Wehr setzte. Die Räuber wollten Christian entführen. Ihr Verstand wollte wissen,
Weitere Kostenlose Bücher