Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
Haus eingehend befragte, einen Mann, dessen Name ihr entfallen war. Dieser war es gewesen, der Christian überredete, mit der Suche nach Guy bis zum Tagesanbruch zu warten.
»Räuber lieben die Nacht«, hatte der Bauer gesagt. »Sie üben ihre dämonischen Rituale in der Dunkelheit aus. Da sie das Licht fürchten, werden sie sich bei Tag nicht weit hervorwagen. Ihr könnt Euch im Morgengrauen anschleichen und Sir Guy befreien.«
Avisa bezweifelte, dass diese Information Christian abgehalten hätte, wenn der Bauer nicht hinzugefügt hätte, dass die Räuber ihre Geiseln selten töteten und es vorzogen, für ihre Freilassung Lebensmittel und Vorräte zu fordern.
»Manchmal töten sie«, musste der Bauer zugeben, als er Avisa anblickte. »Doch töten sie Jungfrauen, deren Blut ihrem Glauben nach ihre bösen Dämonen besänftigt. Da sie aber die Dame nicht raubten, kann dies nicht ihre Absicht gewesen sein.« Sein Gesicht hatte sich gerötet. »Ist Euer Bruder jungfräulich?«
Sie war nicht sicher, was Christian darauf geantwortet hatte, da sie Baldwin in den Nebenraum geholfen hatte. Wäre sie geblieben, hätte sie sich gewiss das Lachen nicht verkneifen können. Guy Lovell jungfräulich? Nicht mit seiner Vorliebe für Frauen – für jede Frau, wo auch immer.
»Was ist so komisch?«, flüsterte Baldwin auf seinem dünnen Strohsack. »Ihr schmunzelt ja, als hättet Ihr einen Witz gehört.«
»Ich lächle, weil die Blutung gestillt ist.« Noch eine Lüge zu allen anderen, die sie erzählt hatte, doch sie wollte den Jungen nicht noch zusätzlich bekümmern.
»Wird eine Narbe bleiben?«
Sie war unsicher, ob er besorgt oder hoffnungsvoll war. »Es ist zu früh, um das vorauszusagen.«
»Ich möchte …« Er stöhnte, als er das Tuch auf seinem Kopf verschob. »Ich möchte Euch danken, Mylady, weil Ihr mir das Leben gerettet habt.«
»Du würdest dasselbe für mich tun.«
»Selbstverständlich! Ihr seid eine Dame. Es ist meine Pflicht, mein Leben zu Eurem Schutz einzusetzen.«
Sie tätschelte sanft seinen Arm. »Das weiß ich zu schätzen, doch ich hoffe, dass dieses Opfer nicht nötig sein wird.«
»Wenn wir ausziehen, um Sir Guy zu befreien …«
»Eins nach dem anderen. Jetzt musst du ruhen.«
»Das wäre nicht nötig, wenn diese Schurken ihn nicht gefangen genommen hätten.« Er wollte sich aufsetzen.
Sie schob ihn vorsichtig zurück. »Heute werden wir ihn nicht befreien. Du ruhst dich jetzt aus, während Christian und ich uns einen Weg ausdenken, ihn zurückzuholen.«
»Ich bin ja so froh, dass Ihr uns beistehen wollt.« Er fasste nach ihrer Hand. »Sir Christian will nicht, dass Ihr das Schwert im Kampf zieht, aber ich sah Euch kämpfen. Ihr seid sehr tapfer, Mylady.«
»So wie du, Baldwin.«
Sein Lächeln wurde breiter, ehe er wieder jäh zusammenzuckte.
»Ruh dich aus«, befahl sie wieder. »Der Morgen wird allzu rasch da sein.«
Avisa blieb an seinem Lager sitzen, bis der Junge einschlief. Auch im Schlaf blieb sein Gesicht verzerrt, und sie hoffte, eine der Bauersfrauen hätte getrockneten Thymian zur Hand. Mit kochendem Wasser überbrüht, gewann man daraus einen Trank gegen Kopfschmerz. Als sie aufstand, mit einer Hand nach den blutigen Sachen greifend und mit der anderen nach den sauberen, wusste sie, dass sie so viel zubereiten musste, dass es auch für Christian reichte. Er hatte von diesem verdammten Gesindel einen heftigen Schlag auf den Kopf bekommen.
Sie trat über die erhöhte Schwelle in den anderen Raum. Im Vergleich zu jenem, in dem Baldwin schlief, war er geräumig. Unzählige Füße hatten den Lehmboden geglättet.
Christian stand am Fenster, den Ellbogen gegen die Wand gestützt, das Haupt in der hohlen Hand. Seine Grimasse ähnelte jener seines Pagen.
Sie wünschte, sie hätte ihm Trost spenden können, doch sie hatte keinen. Sie hatte der Königin gegenüber versagt, hatte zugelassen, dass Guy in Gefangenschaft geraten war und dass Christian und Baldwin verletzt waren, weil sie so entschlossen gewesen war, Christian zu zeigen, dass sie würdig war, eine der Damen von St. Jude’s Abbey zu sein.
»Ich könnte Euch jetzt den Kopf verbinden«, sagte sie leise.
»Das kann warten.« Er drehte sich zu ihr um. Seine Züge waren trotz des verqualmten Lichtes nicht mehr so grau wie draußen im Wald. »Wie geht es Baldwin?«
»Er ruht.«
»Wird er genesen?«
»Ja, und er wird nach seinem ersten Kampf klüger sein.«
Christian strich über sein vom Tagesbart stachliges Kinn.
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