Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
erwarten, wieder die Wärme des heimischen Herdes zu genießen.«
»Das klingt sehr zuversichtlich.«
Avisa fiel die Geschichte ein, die sie für ihn gesponnen hatte. Keine Frau, deren Heim von einem schurkischen Baron überfallen worden war, konnte darauf hoffen, jemals wieder an den heimischen Herd zurückzukehren.
»Ich muss es sein«, sagte sie. »Wenn ich Zweifel zulasse, bin ich schon verloren. Denkt Ihr nicht auch so?«
»Ich würde es gern glauben.« Er lenkte sein Pferd näher zu ihr.
Im Gebüsch am Straßenrand raschelte es. Avisa fasste die Zügel kürzer und spitzte die Ohren, um zu hören, ob das Geräusch sich wiederholte. Ihre Hand glitt zu ihrem Schwert, als sie auf dem Feld, wo Weizengarben aufgestellt waren, eine Bewegung sah. Seine breitere Hand bedeckte ihre behandschuhte, und sie zog ihre Finger mit einem Ruck weg, als das süße Feuer durch das Leder und ihren Arm hinaufschoss.
»Ist etwas, Avisa?«
Ich kann nicht verhindern, dass ich auf dich reagiere , hätte sie am liebsten gesagt. Doch ihre Wachsamkeit ließ ihr keine Zeit dazu.
»Still«, zischte sie und senkte die Stimme zu einem Flüstern, »wir werden beobachtet.«
Er lenkte sein Pferd um ihres herum und verstellte ihr die Sicht. Die Augen mit der Hand beschattend ließ er den Blick über das Feld wandern. Mit dem Schwinden des Tageslichts drangen Schatten aus den Wäldern. »Ich sehe nichts.«
»Bei den Getreidegarben ist jemand.«
»Ich sehe niemanden.«
»Das heißt aber nicht, dass niemand da ist.«
Er sah sie an. »Avisa, wenn Wind durch Getreidegarben fährt, ist es kein Grund, sich zu ängstigen. Ich weiß, dass Ihr allen Grund habt, Euch zu fürchten, doch wir haben geschworen, Euch zu beschützen.«
Und ich schwor, dich zu schützen, Christian Lovell . Sie schluckte die Worte hinunter. Die Genugtuung, sein Gesicht zu sehen, wenn sie ihm die Wahrheit entgegenschleuderte, war es nicht wert, ihr der Königin gegebenes Wort zu brechen.
»Ich fürchte mich nicht«, sagte sie mit so viel Gelassenheit, wie sie aufbringen konnte. »Ich bin in Sorge, weil uns jemand beobachtet.«
Als ein Bäh vom Feld her ertönte, lachte Christian leise. »Da ist Euer Jemand. Ein verirrtes Schaf auf der Suche nach seiner Herde.«
Sie sah den schmutzig weißen Schädel eines Schafes, das sie mit geistloser Neugierde anblickte, ehe es sich wieder bückte, um zu grasen. »Es war kein Schaf, das ich sah. Ich sah einen Menschen.«
»Ich sehe nur ein Schaf.«
»Meint Ihr nicht, dass das Schaf auf uns zukam, um dem zu entgehen, der …« Sie blickte an ihm vorüber und runzelte die Stirn. »Der auf dem Feld war?«
»Falls jemand dort war, ist er nicht mehr dort.«
Avisa nickte widerstrebend, da sie nicht widersprechen konnte. »Na schön. Reiten wir weiter.«
»Wir haben nach allen Richtungen scharf aufgepasst.« Er tätschelte ihre behandschuhte Hand. »Ihr seid mit uns sicher.«
»Wir sind gemeinsam sicher.«
»Ja.« Er streckte den Arm aus und zog ihr Schwert aus der Scheide. »Und ich will, dass es so bleibt.«
»Christian! Gebt mir mein Schwert.«
»Ich sagte, dass ich Euch beschützen werde.« Er steckte ihr Schwert in eine an seinem Sattel angebrachte Lederschlinge. »Los also.« Er schlug seine Stiefel gegen sein Pferd und ritt los.
Avisa zögerte nicht, griff unter ihren Rock und zog ihren Dolch hervor. Sie hielt ihn fest in einer Hand, als sie die Zügel auf ihr Pferd klatschen ließ, und ließ ihn auch nicht los, als sie hinter Christian her lossprengte.
Er drehte sich um, als sie näher kam. Mit einem Lächeln grub er seine Fersen in sein Pferd. Wiehernd galoppierte es die Straße entlang. Sein Mantel flog hinter ihm her und schlug gegen die Bäume am Straßenrand.
Sie lächelte, als sie sah, dass sie mithalten konnte. Hinter ihnen ertönten die lauten Rufe Guys und Baldwins, sie aber konzentrierte sich auf Christians Mantel und die Bäume. Laut feuerte sie ihr Pferd an. Sie war eine leichte Last, und ihr Pferd war kräftig. Der Abstand zwischen den zwei Pferden verringerte sich. Sie beugte sich über den Hals ihres Pferdes, und alle Schmerzen waren vergessen, als sie mit Christian gleichauf war. Sie spuckte Staub aus.
»Euer Schwert bekommt Ihr nicht zurück, Avisa.« Er lachte.
»Das ist nicht nötig. Ich nehme es mir.«
»Seid nicht albern.«
»Nie war ich weniger albern.« Sie lächelte herausfordernd.
Er streckte einen Arm aus, um sie daran zu hindern, zu ihm herüberzugreifen und sich ihr Schwert zu holen.
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