Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lady mit der Feder - Roman

Die Lady mit der Feder - Roman

Titel: Die Lady mit der Feder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley Anke Koerten
Vom Netzwerk:
müssen.
    Als er ein »Guten Morgen« hörte, antwortete er automatisch den Leuten auf dem unteren Hof. Er merkte, dass er zur Kirche ging, und wandte sich ab. Wieder meldete sich sein schlechtes Gewissen. Er hätte die ganze Nacht über Totenwache an der Bahre seines Freundes halten und für dessen Seele beten sollen. Auch die Gewissheit, dass Ryce ihn für närrisch gehalten hätte, weil er es nicht vorzog, diese Zeit in Gesellschaft einer schönen Frau zu verbringen, konnte sein schlechtes Gewissen nicht besänftigen.
    Auf dem unteren Hof herrschte reges Leben und Treiben. Unweit der Kirche machten ein paar Kinder Jagd auf Hühner. Es musste sich um ein Spiel handeln, da in der Fastenzeit kein Fleisch, auch nicht Geflügel, auf den Tisch kommen durfte. Ihre aufgeregten Rufe hätten ein freudiger Willkommensgruß in dem Leben sein sollen, das er in La Tour hinter sich gelassen hatte, doch als er weiter in die entgegengesetzte Richtung ging, fasste er sie nur als Beweis auf, dass er sich nicht einmal zu Hause unbelastet fühlte.
    Als er den Blick abwandte, sah er etwas golden aufblitzen. Isabella hockte mit dem Rücken zu ihm auf dem Boden. Ehe
er in einer anderen Richtung weitergehen konnte, schaute sie auf. Der Schmutz in ihrem Gesicht verbarg ihre aufgeschürfte Wange. Ihr Haar, das ihr lose über den Rücken fiel, ließ sie aussehen, als wäre sie von Gold eingerahmt.
    »Guten Morgen!«, rief er, um einen munteren Ton bemüht.
    »Ich hätte nicht erwartet, Euch vor der Seelenmesse zu sehen.« Sie richtete sich langsam auf. Ihr von der Reise ziemlich mitgenommenes Gewand war am Saum nass, das Leibchen trug noch Schmutz- und Rauchspuren der Befreiungsaktion in der Schänke. Sie hatte für ihn bereits mehrfach ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Sein Blick wanderte zu ihrer Wange, und die rote Hitze seiner Wut ließ ihr Gesicht verschwimmen. Er bezwang sich. Das Recht auf Vergeltung stand Isabella und nicht ihm zu.
    Ein Gedanke, der ihm willkommen hätte sein sollen, da er gelobt hatte, sich nie wieder von der verletzten Ehre eines anderen kopfüber zu einem Kampf verleiten zu lassen. Er war ihm nicht willkommen. Er hatte es sich selbst geschworen, als er Prinz Richards ehrlosen Raubzug überlebt hatte. Damals hatte ihn Blutdurst erfüllt. Nun aber … Die Leidenschaft, wenn Isabella ihn mit echter Sympathie ansah, war noch viel mächtiger als das Verlangen, seinem Lehnsherrn zu dienen und für seine Tapferkeit Lob und Ehre zu erringen.
    Er riss seinen Blick von ihr los. Er wollte nicht, dass ihr Mitgefühl ihn anrührte, weil er dann auch andere Dinge hätte fühlen müssen. Andere Dinge wie den Kummer, der an ihm nagte, und bodenloses Bedauern.
    Jetzt erst fiel ihm auf, dass sie den Inhalt der Beutel, die sie an ihrem Gürtel trug, ausgebreitet hatte. »Wie ich sehe, seid
Ihr beschäftigt. Da überlasse ich Euch lieber Eurer Arbeit.« Er sah, wie sich ihre Miene verhärtete, und wünschte, er hätte nichts gesagt, doch war es zu spät, und er ging fort.
    »Jordan.« Mehr sagte sie nicht. Es genügte, dass er sich umdrehte.
    »Ja?«
    »Danke.«
    Er machte ein finsteres Gesicht, das Anzeichen von Schmerz zeigte. »Danke wofür?«
    »Weil Ihr mir nicht vorwerft, was mit dem Dieb geschah.«
    »Vorwerfen?« Er war erstaunt. »Ihr habt einen Eindringling gestellt. Warum sollte ich Euch Vorwürfe machen?«
    »Ehe ich auszog, um mich mit Euch zu treffen, sagte man mir, dass Männer das Kämpfen gern selbst übernehmen. Nun habe ich dies durchkreuzt und verhindert, dass Ihr tun konntet, was Ihr Euch vielleicht gewünscht habt.«
    »Wenn Ihr glaubt, ich hätte mir gewünscht, mich mit einem Dieb anzulegen, der sich in mein Schlafgemach schlich, dann irrt Ihr Euch.«
    »Ich weiß, dass Ihr mit ihm ebenso wenig kämpfen wolltet wie ich.«
    Er hatte nicht geahnt, wie leicht er zu durchschauen war. »Warum glaubt Ihr das?«
    »Als ich sagte, wir könnten einen Krieg zwischen dem König und seinen Söhnen verhindern, wart Ihr rasch zur Hilfe bereit.« Lächelnd legte sie ihre Finger auf seinen Arm.
    Dieser doppelte Angriff auf seine Sinne ließ seine Muskeln hart werden, während sein Puls in seinem Schädel dröhnte und den Schmerz vertrieb, an dem er gelitten hatte, um ihn
durch einen anderen zu ersetzen. Dieser Schmerz erwuchs aus den Tiefen seines Inneren, da er sich nach den Tiefen ihres Inneren verzehrte. Sein Verstand hatte ihn letzte Nacht daran gehindert, mit ihr das Bett zu teilen, doch allmählich wuchs in ihm die

Weitere Kostenlose Bücher