Die Lady mit der Lanze
eine wirksame Waffe.«
»Glaubst du, gegen mich eine Waffe zu brauchen, Tarran?«
»Du missverstehst mich.«
»Ach?«
»Nicht, was den Sarkasmus betrifft, doch missverstehst du, was ich meine … bei anderen Dingen.« Er lehnte sich an den Felsen hinter ihm. Sein Gesicht war im tiefer werdenden Dunkel verborgen, doch seine Stimme verriet seine Anspannung. »Ich liebe meine Frau noch immer.«
»Ich weiß.«
»Mir liegt nicht daran, mich in eine andere zu verlieben.«
»Ich weiß.« Sie hoffte, ihr Gesicht wäre ebenso unsichtbar, da es verraten konnte, wie schwer es ihr gefallen war, diese Worte auszusprechen. Sie schluckte schwer und fuhr fort. »Auch mir liegt nicht daran, mich zu verlieben. Sobald ich das Ziel meiner Reise in Wales erreicht habe, muss ich nach England zurück, wo mich Verpflichtungen erwarten.«
»Du hast nie erklärt, was dich nach Wales führt.«
»Ich dachte, ich hätte es getan.«
»Nein. Warum sagst du es nicht?«
Elspeth wurde einer Antwort enthoben, als das Feuer knisternd erlosch. »Wir brauchen mehr Holz.«
»Bleib hier, während ich es hole.«
In ihr sträubte sich alles, weil er so anmaßend war zu glauben, sie könne gar nicht anders, als seinen Befehlen zu folgen. Und auch dies glückte ihr nicht zu seiner Zufriedenheit. Ebenso war sie erbittert, weil er sie so eisig behandelte und im nächsten Moment zu einem glühenden Kuss in die Arme nahm.
»Ich brauche deine Hilfe nicht, Tarran«, sagte sie kühl. »Ebenso kann ich auf deine plumpen Verführungsversuche verzichten.«
»Plump?«
»Warum bist du beleidigt, wenn es dich ohnehin nicht kümmert?« Sie stützte die Hände in die Hüften. »Oder brauchst du die Illusion, jede Frau, die du einfach so küsst, würde bei deinem Annäherungsversuch praktisch in Ohnmacht fallen?«
»Ich sagte nicht, dass mich …«
»… dass dich deine Macht und dein Heldentum nicht kümmern? Möchtest du hören, dass ich mich geehrt fühle, weil mich ein Fürst küsst?« Sie schüttelte seufzend den Kopf. »Warum bist du darauf aus, mich zu erzürnen? Hast du Angst, dass zu viel Lachen und zu viel gute Laune den Kummer untergraben, in den du dich hüllst wie in ein härenes Hemd? Glaubst du, dein Entschluss, Bradwr ap Glew zu töten, würde schwankend, wenn dein Kummer nachließe?«
»Dieser Entschluss wird nie schwankend. Nie werde ich vergessen, dass Männer meines Vertrauens mir sagten, wie sie ihn mit Blut befleckt sahen.«
»Und jetzt erträgst du, dass er Tag um Tag über dich triumphiert, indem du zulässt, dass er jede Andeutung von Freude aus deinem Leben stiehlt.« Sie ging zum Karren, zog ihren Stock heraus und ging fort.
Gegen ihren Willen spitzte sie die Ohren, um zu hören, ob er nach ihr rief. Er tat es nicht.
Elspeth senkte den Kopf gegen den dichter werdenden Nebel. Sie hätte froh sein sollen, dass er aufrichtig zu ihr war. Hätte er sie nach der Flucht aus Kastell Glyn Niwl nicht mit solcher Glut umarmt, hätte sie ihn jetzt wegen des Kummers, von dem er nicht ablassen wollte, bemitleidet. Sie hätte sein Streben nach Vergeltung gepriesen. Sie wäre in Versuchung geraten, ihm beizustehen.
Stattdessen wünschte sie, er würde in der Dunkelheit stürzen und über eine Klippe fallen.
Sie stieg ein Stück den steilen Abhang hinauf. Grasgestrüpp vom letzten Sommer behinderte sie, doch kämpfte sie sich unbeirrt weiter bergan. Nach wenigen Schritten waren ihre Schuhe nass, und grüne, feuchte Dornenranken rissen an ihrem Kleid. Hätte sie einen Funken Verstand besessen, wäre sie ans Feuer zurückgekehrt und hätte es Tarran überlassen, den Hang auf der Suche nach Holz zu durchstreifen.
Sie würde keines finden, da die einzigen Bäume auf diesem vom Wind gepeitschten Hang ganz oben, weit über ihr standen. Sie hielt inne, war aber nicht willens, ihre Niederlage sich oder Tarran einzugestehen, und sah hinauf zu den Bäumen. Wie Wächter standen sie da und schützten Wales vor der See. Oder aber - falls Tarran typisch für die Waliser war - sie standen da, um den Rest der Welt vor den Walisern zu schützen. Sie blickte aufs Meer hinaus und dachte an Lord de la Rochelles Geschichte von Fürst Madoc.
Konnte ein walisischer Fürst so aberwitzig sein, um hinter den Horizont zu segeln? Fast hätte sie aufgelacht. Wäre Tarran der Meinung gewesen, er würde dort den Mörder seiner Frau finden, hätte er sich von den bekannten Grenzen der Welt nicht abhalten lassen.
Sie drehte sich um und wollte wieder hinunter. Es regnete
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