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Die Lady mit der Lanze

Die Lady mit der Lanze

Titel: Die Lady mit der Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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Liebhaber, der solche Phantasien in ihrer Seele wachrief? Nie konnte sie sicher sein. Sie wünschte, er würde sein seltsames Verhalten von voriger Nacht erklären, doch hatte er nichts gesagt. Vielleicht tat er gut daran, nicht davon zu sprechen, da jede Debatte zu einem ganz andersgearteten Diskurs führen konnte, bei dem Worte nur im Weg waren. Wusste er, dass sie sich die ganze Nacht schlaflos gewälzt hatte, während sich ihr Körper vor Verlangen nach ihm verzehrte?
    »Ich angle«, sagte sie und wünschte sofort, sie hätte einen anderen Vorwand genannt.
    »Ohne Haken, Schnur und Rute?«
    Sie lachte, nicht über seine Frage, sondern über die lächerliche Situation. Über die schmerzlich lächerliche. »Ich hätte sagen sollen, dass ich hoffe, eine ruhige Stelle zum Angeln zu finden.«
    »Viel Glück.«
    »Tarran.«
    »Ja.«
    »Wärest du froh, wenn die Normannen aus Wales abzögen?«
    Er bedachte sie wieder mit einem finsteren Blick. »Eine absurde Frage. Mich wundert, dass du sie stellst.«
    »Dann gib mir Antwort, damit ich nicht mehr fragen muss.«
    »Ich wäre sehr froh, wenn alle Normannen aus Cymru verschwinden würden. Noch glücklicher wäre ich, wenn keiner wiederkehrt.«
    »König Henry würde eher sterben, als das zuzulassen.«
    »Ich weiß.« Er ging hinter ihr vorbei und sprang aufs andere Ufer hinüber. Der Vogel krächzte und schlug mit den Schwingen, ehe er wieder ruhig auf Tarrans Faust saß. Dieser setzte seinen Weg flussaufwärts fort, ohne sich umzublicken.
    Elspeth musste sich sehr zurücknehmen, um ihm nicht nachzulaufen. Sie biss sich auf die Unterlippe, um ihm nicht hinterherzurufen, er solle sein verwirrendes Verhalten von vergangener Nacht erklären. Er hatte sie geküsst. Er war vergangene Nacht auf und davon. Und jetzt lief er wieder davon.
    Sie setzte sich und befingerte ihren Kampfstock. Er war davongelaufen, als der Stock ihn traf. Hatte er geglaubt, sie hätte ihn absichtlich gegen ihn geführt? Als er sie an sich zog und sie mit einem wilden, sie überwältigenden Verlangen küsste, hatte sie vergessen, dass der Stock auf ihrem Schoß lag. Jetzt benahm er sich, als wären sie Fremde, als traue er ihr nicht weiter über den Weg als diesem Druce.
    Sie stieß einen Fluch hervor, der ihr einen Verweis der Äbtissin eingebracht hätte. Man hatte sie nicht nach Wales geschickt, um Tarrans Kummer zu lindern. Falls er wollte, dass er gelindert würde … Sie fragte sich immer wieder, ob er sich am Abend zuvor zurückgezogen hatte, weil er einen anderen Zustand als seinen Gram fürchtete. Ihr Vater hatte des Öfteren gesagt, dass niemand gern unglücklich wäre, aber vielleicht hatte er sich geirrt.
    »Ach, ich dachte, ich würde Fürst Tarran bei Euch antreffen.«
    Elspeth blickte vom Wasser auf und sah Seith, der mit verlegenem Lächeln vor ihr stand. »Er ging allein los.«
    »Was habt Ihr zu ihm gesagt?« Er runzelte die Brauen und sah sie mit einem strengen Blick an, den er sich von Tarran abgeschaut haben musste.
    »Was ich offenbar immer sage. Das Falsche. Ich fragte, ob er froh wäre, wenn die Normannen Wales verlassen würden.«
    Seith schnaubte. »Eine alberne Frage!«
    »Eine Frage der Loyalität!«
    »Wir können loyal zu König Henry stehen und seinen Thron respektieren, auch wenn wir wünschen, er und alle Normannen würden auf der anderen Seite von Offa’s Dyke bleiben.«
    »Vielen Dank, jetzt fühle ich mich willkommen.« Sie deutete auf die Bäume am anderen Ufer. »Er schlug diese Richtung ein, falls Ihr ihm folgen wollt.«
    »Nein.« Er hockte sich neben sie. »Wenn er Zeit für sich allein haben will, möchte ich nicht stören.«
    »War er immer schon so?«
    Seith hob einen Zweig auf und rollte ihn zwischen den Fingern hin und her. »Wie … so?«
    »Ohne eine Andeutung von Humor in allem, was er sagt oder tut. Leicht aufgebracht, wenn jemand seine Erwartungen nicht erfüllt.« Sie sah ihn offen an. »Er lächelt selten, und wenn er lacht, dann nur widerstrebend. Es ist, als hätte er vergessen, was es heißt, glücklich zu sein.«
    »Das hat er.« Er schleuderte den Zweig in den Fluss. »Ich hoffe, die Erinnerung wird wiederkommen.«
    »Wenn Bradwr ap Glews Leichnam das Blut entströmt?«
    Seith sah sie an und wendete rasch den Blick wieder ab. »Vala hätte Euch nicht sagen sollen, was wir vorhaben.«
    »Sie tat es nicht.«
    »Fürst Tarran war es?«
    Elspeth nickte. »Als ihm klar wurde, dass es absurd war, wenn alle ständig auf ihre Worte achten müssen, sagte

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