Die Lady mit der Lanze
ist auf ewig Teil von mir.«
»Und ich liebe dich, Addfwyn.« Die Worte klangen, als würde ein Verwundeter um Linderung seiner Qual flehen. Er liebte sie und wollte sich nicht neu verlieben. Das hatte er zu Elspeth gesagt. Elspeth, hinweg aus meinen Gedanken! Verzweiflung lag in seiner Stimme, als er hinzusetzte: »Mein Schwur überdauerte den Tod.«
»Ich weiß, dass es deine Absicht war, doch hat der Tod eigene Regeln.« Wieder lächelte sie, diesmal strahlend und voller Glück. »Es gibt eine andere Frau in deinem Leben. Eine Frau, die dich drängt, deinen Kummer abzulegen und das Geschenk, zu leben, zurückzugewinnen.« Sie zupfte ein Haar von seinem Ärmel. »Dies sagt es mir.« Sie ließ das rote Haar in der Luft entschweben.
Als es zurück zum Tisch sank, verwandelte es sich in Elspeths Abbild. Sie hielt ihren Stock mit jener Lockerheit, die große Virtuosität verriet, die er nie wieder unterschätzen würde. Als sie die einzelnen Schritte ausführte, die er von ihrem Training her schon kannte, schwebte das Bild auf den Tisch zu. Neben Addfwyns Hand verharrte die winzige Elspeth.
»Sie ist tapfer«, sagte Addfwyn leise.
»Ja, das ist sie. Aber woher weißt du das? Kannst du von hier aus die Welt der Lebenden sehen?« Hatte Addfwyn gesehen, wie er Elspeth in die Arme genommen hatte? Konnte sie wissen, welches Verlangen Elspeth in ihm wachrief? Schuldbewusstsein ließ ihn so erstarren, als hätte man ihm den Stock in den Leib gerammt.
»Nein. Der Schleier zwischen der Welt der Lebenden und Annwfn ist zu dicht, als dass ein Sterblicher hindurchblicken könnte. Erst wenn man etwas aus der Menschenwelt mitbringt, sehe ich etwas.« Sie lächelte so warm wie damals, als sie in seinen Armen geschlafen hatte. »Dass diese Frau in der Halle der großen Krieger zu sehen ist, verrät mir, dass sie würdig ist, in ihrer Mitte zu weilen.«
»Sie ist mutig, wenn sie auch unnötige Risiken eingeht.«
»Diese Sorge hattest du auch bei mir.« Sie sah die Miniatur-Elspeth an, die ein Ende des Stockes auf den Boden senkte und sich vor ihrem unsichtbaren Gegner verbeugte. »Du bist ein Mann, der die Menschen in seinem Leben beschützen möchte. Und jetzt bist du einer Frau begegnet, die sagt, dass sie deinen Schutz nicht braucht.«
Er warf einen Blick auf Elspeths lebendes Bild. Es war stumm, doch konnte er erkennen, dass sie lachte, als sie mit dem Ärmel über ihre Stirn fuhr. Ihr Haar flog um sie, und er konnte nur an dessen sonnendurchtränkten Duft denken.
»Sie ist geschickt«, sagte Addfwyn, »doch droht ihr die größte Gefahr nicht von einem Gegner, den sie mit ihrem Stock abwehren kann. Sie braucht deinen Schutz vor …«
»Vor mir?«
»Dass du die Frage stellst, beweist, dass du die Antwort kennst.« Sie blies auf das Abbild, und es schwebte davon, wieder nur ein einzelnes rotes Haar.
Er griff danach. Als seine Finger es umschlossen, erwachte er. Seine Hand war leer, weil er verloren hatte, was er einst besaß, während er das zu fassen versuchte, nach dessen Besitz er nicht streben sollte.
Tarran hörte Elspeth lachen, als er seinen Mantel um den Hals festhakte. Ihr Lachen klang wie eine fröhliche Weise, und es traf ihn bis ins Innerste, als er sie neben Druce sitzen sah, während Vorbereitungen für eine weitere Nacht am Fluss getroffen wurden. Den ganzen Tag hatte sie mit Druce geredet. Der Kerl war nicht von ihrer Seite gewichen, ständig begleitet von seinem schweigsamen Gefährten.
Sollte Elspeth doch mit Druce zusammen sein, so viel sie wollte! Das würde sie wenigstens abhalten, ihre sanften grünen Augen in seine Richtung zu wenden. Als Tarran sich von den anderen entfernte und den Abhang zu einem hügeligen Moor erstieg, das sich in östlicher Richtung erstreckte, sagte er diese Worte immer wieder vor sich hin. Allein, auf der Jagd mit Heliwr, würde es ihm vielleicht gelingen, auf andere Gedanken zu kommen.
Er durfte sich nicht ablenken lassen, und von Elspeth schon gar nicht. Wenn er sie so mit Druce zusammen sah, musste er sich fragen, ob man ihr noch trauen konnte. Nicht dass er glaubte, sie würde ihn mit Absicht hintergehen. Hatte er aber nicht erfahren müssen, dass nur ein Narr blind vertraute? Addfwyn hatte für ihren blinden Glauben an Bradwr ap Glew mit dem Leben bezahlt.
Tarran hielt mitten auf einem Feld auf halber Höhe inne. Bis auf einen Streifen Waldland, der sich hindurchzog, lag vor ihm offenes Gelände, gewellt wie Wogen, in der Erde erstarrt. In der anderen Richtung
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